Die Hueterin der Krone
folgte seinem Blick. Ein bärtiger Geistlicher schob soeben den Fuß in den Steigbügel eines prachtvollen gescheckten Hengstes mit einem kostbaren, mit silbernen Rosetten besetzten Geschirr. Stephens Bruder, ihr Vetter Henry, war vor kurzem von der Abtei Cluny abberufen worden, um das Amt des Abtes von Glastonbury zu übernehmen, aber sein Ehrgeiz zielte auf ein Bischofsamt ab – vermutlich auf das Bistum Canterbury.
»Ja.« Sie wechselte einen wissenden Blick mit Brian. »Das ist mir auch aufgefallen.«
5
Festung Wallingford, Oxfordshire, Oktober 1126
Ein kalter Herbstregen wehte über das Ufer der Themse und füllte die Karrenfurchen auf der Straße mit schlammigem Wasser, als Brian seine große Festung Wallingford erreichte. Der kürzlich auf einem hohen Hügel erbaute Bergfried zeugte ebenso von der Macht des Burgherrn wie die vom Regen glitschigen Gräben, Palisaden und Mauern. Brian registrierte, dass die Baumeister und Zimmerleute im Sommer während der Zeit, die er am Hof verbracht hatte, gute Fortschritte gemacht hatten. Viele Männer behaupteten, Wallingford sei uneinnehmbar, und im Moment war Brian fast geneigt, das zu glauben.
Als ein Stallbursche herbeieilte, um Sable fortzuführen, tauchte seine Frau aus der Gästehalle auf, um ihn zu begrüßen. »Mylord.« Sie deutete einen Knicks an.
»Madam.« Er rang sich ein Lächeln ab. Unordentliche eisengraue Haarsträhnen lugten unter ihrem Schleier hervor. Sie trug ein Alltagsgewand mit aufgekrempelten Ärmeln, und auf ihrer stattlichen Büste waren Hundehaare zu sehen. Eine Meute übermütiger Hunde tobte um sie herum und drohte jeden zum Stolpern zu bringen, der versuchte, ein paar Schritte zu gehen. Brians Kiefermuskeln spannten sich an. Maude war von seiner bevorstehenden Ankunft in Kenntnis gesetzt worden, aber er wusste aus Erfahrung, dass ein Kleiderwechsel für sie niemals Priorität hatte. Von sich aus würde sie nie auf diesen Gedanken kommen. Doch als er ihre private Kammer im Wohnbereich betrat, fand er auf einem mit einem Tuch gedeckten Tisch eine Karaffe mit Wein, frisches Brot und würzigen Käse vor. Auch ein Krug mit warmem Waschwasser stand bereit, daneben lagen saubere Kleider für ihn. Unter Maudes geschickter Leitung lief der Haushalt wie am Schnürchen, doch was sie selbst betraf, hielt sie alles, was über das Praktische hinausging, für überflüssig.
»Ich bin überrascht, dich zu sehen«, bemerkte sie, als er sich vorbeugte, um sich Hände und Gesicht zu waschen. Ihr Ton blieb völlig unbeteiligt. »Vermutlich wirst du nicht lange bleiben.«
»Nur ein paar Tage.« Er begann sich abzutrocknen. »Ende der Woche muss ich mich wieder bei Hof einfinden.« Er blickte nach unten. Einer der Hunde hatte seinen Schuhriemen zwischen den Zähnen und zerrte unter wildem Knurren daran. Brian bückte sich und hob das Tier hoch. Der kleine Hund kläffte und zappelte heftig. Seine Augen verschwanden fast unter den seidigen weißen Haarfransen.
»Er ist noch ein Welpe.« Maudes Stimme wurde zuckersüß. »Wir müssen erst noch Manieren lernen, nicht wahr, Rascal?«
»Rascal?« Maude hatte stets einen persönlichen Lieblingshund dieses Namens. Wenn der Welpe der momentane Rascal war, musste der alte tot sein.
»Ich habe seinen Urgroßvater im Frühjahr verloren, als du in der Normandie warst.« In ihrer Stimme schwang kein Vorwurf wegen seiner langen Abwesenheit mit, nur stoische Resignation.
»Das tut mir leid.«
Sie zuckte die Achseln.
»Er war taub und blind, für ihn war es eine Erlösung.« Sie nahm ihm den Welpen ab und drückte ihn an die Brust.
»Gab es hier irgendwelche Schwierigkeiten?«
»Keine, mit der ich oder dein Burgvogt oder die Verwalter nicht fertig geworden wären. Wenn sich ernste Probleme ergeben hätten, hätte ich dir geschrieben.«
Er nickte. Sie wechselten Worte wie höfliche Fremde. Er und Maude waren seit neunzehn Jahren verheiratet und hatten nichts gemeinsam. Es war ihnen noch nicht einmal beschieden, Kinder großzuziehen, die ein Band zwischen ihnen hätten bilden können, und die Wahrscheinlichkeit, dass es noch dazu kam, war äußerst gering, denn sie war fast zwanzig Jahre älter als er und längst über die Blüte ihrer Fruchtbarkeit hinaus. Doch wenn er nach Hause kam, versuchte sie mit demselben Eifer ein Kind zu empfangen, mit dem sie ihre Hunde, ihre Schafe und ihr Vieh züchtete, aber ihr Leben spielte sich in Wallingford ab, seines bei Hof, und ihre beiden Welten trafen selten
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