Die Hueterin der Krone
und einen Mund vor, der ihn in den Wahnsinn trieb. Diese Fantasien bewirkten, dass er endlich imstande war, seine Pflicht zu erfüllen, in Maude einzudringen und ihr seinen Samen zu schenken. Und sowie er in ihr war, fiel es ihm leichter, sich vorzustellen, unter ihm läge nicht Maude, sondern Matilda, und es handle sich nicht um einen bloßen Zeugungsakt, sondern um Liebe.
Als es vorbei war, löste er sich von ihr und setzte sich schwer atmend auf. Er fühlte sich besudelt, aber zumindest hatte er ihr gegeben, was sie wollte.
»Na, siehst du.« Maude tätschelte seinen Rücken, als wäre er ein Hund oder ein Pferd, das seine Sache gut gemacht hatte. »So schwer war es doch gar nicht, oder?«
»Nein«, räumte er ein, erleichtert, seine Pflicht erfüllt zu haben, während sie offenbar zufrieden war, diese von ihrer Liste der Dinge zu streichen, die sie zu erledigen hatte, solange er zu Hause war. Sie zog ihre Hand zurück, drehte sich um und schlief kurz darauf ein. Leise Schnarchlaute drangen aus ihrer Kehle. Brian zog sich im Dunkeln leise an und ging zur Tür. Als er sie öffnete, spürte er, wie ihre Hunde an ihm vorbei in das Zimmer trotteten, und hörte, wie sie, von Maude schlaftrunken ermuntert, auf das Bett sprangen. Er weckte einen Knappen und hieß ihn, eine Laterne anzuzünden und ihn zu seiner Kammer zu geleiten. Sollte sich Maude doch zu ihren Hunden flüchten, er würde Trost im geschriebenen Wort suchen.
6
Westminster Palace, London, Dezember 1126
»Du wirst noch mit tintenfleckigen Fingern in die Grube fahren«, neckte Robert of Gloucester Brian belustigt.
Brian betrachtete seine Hände mit einem schuldbewussten Lächeln, bevor er sie unter seinem Umhang verbarg.
»Ich fürchte, du hast Recht. Die Flecken lassen sich zwar abwaschen, aber wenn ich die einen losgeworden bin, bekomme ich schon wieder neue.« Sein Gesicht wurde ernst. »Nun ja, es gibt Schlimmeres auf der Welt als Tintenflecke.« Er blickte sich um. Westminsters große Halle wimmelte von samt und sonders in Pelze und kostbare Gewänder gekleideten Höflingen. Früher am Morgen war Schnee gefallen, und der Boden war mit einer sehr feinen Schneeschicht bedeckt. Im Vorfeld war viel über den Eid diskutiert worden, von dem der König wünschte, dass sie ihn Matilda schworen, und sie somit als seine Erbin anerkannten, und jetzt lag eine unbehagliche unterschwellige Spannung in der Luft, obwohl noch niemand offen die Absicht verkündet hatte, den Schwur zu verweigern. Brians Blick wanderte zu Stephen of Blois, der mit seinem Bruder, dem Abt von Glastonbury, und Roger, Bischof von Salisbury, sprach. Mit den Augen eines Mathematikers vermochte Brian sofort bestimmte Muster in der Menge auszumachen. Gruppen von Gleichgesinnten. Lager, die sich aufgrund von gemeinsamen Interessen und Bestrebungen zusammengeschlossen hatten. Sie alle bildeten das Garn, mit dem der König sein Netz wob – oder für den Strick, der seinen Untergang herbeiführte.
Eine Fanfare erklang, der König erschien, schritt die Gasse entlang, die die königlichen Marschalls inmitten der knieenden Menge geschaffen hatten, und nahm seinen Platz auf dem mittleren der drei Thronsessel auf einem Podest ein. Auf seinem Kopf saß eine mit Edelsteinen verzierte, glitzernde zerlegbare Krone. Er wurde von Adeliza begleitet, die ebenfalls eine Krone trug und in ein schimmerndes silbernes Gewand gehüllt war. Brian sah zu, wie Matilda auf den Thron rechts von ihrem Vater zuschritt. Bei ihrem Anblick zog sich seine Brust zusammen. Sie trug ein eng anliegendes Gewand aus blutroter Wolle mit Goldstickerei an Hals, Saum und Manschetten. Das Mieder war mit kleinen Juwelen bestickt, die Blütenmuster bildeten, ihr Umhang war mit Hermelinpelz gesäumt. Ihre Krone bestand aus goldenen Blüten und Saphiren, und ihr Haar fiel ihr wie ein glänzender dunkler Wasserfall offen über den Rücken. Ihre Gesichtszüge waren zu einer Maske eisig-klarer Reinheit erstarrt. Sie bot ein Bild unerreichbarer Schönheit, sodass es Brian den Atem verschlug.
»Wir haben gerade den Auftritt einer zukünftigen Königin miterlebt«, bemerkte Robert leise.
Die Worte jagten Brian einen Schauer über den Rücken. Matilda blickte unverwandt geradeaus, als sie mit königlicher Autorität ihren Platz einnahm, sie glich einer zum Leben erwachten Figur aus einem Buntglasfenster – einer schimmernden Heiligen.
»Sie ist bereits eine Kaiserin«, erwiderte er.
Nun schworen die Anwesenden, sie als Erbin ihres Vaters
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