Die Hueterin der Krone
in dir deutlich lodern sehen kann.«
»Ich tue das alles nur, weil mein Vater es von mir verlangt.«
»Aber auch um deinetwillen, denke ich.«
Matilda trat zu der Truhe, die ihre persönlichen Habseligkeiten enthielt, nahm einen kunstvoll gearbeiteten Elfenbeintiegel mit nach Rosen duftender Salbe heraus, öffnete den Deckel und sog den zarten Sommerblütenduft ein. Sie sehnte sich danach, die Macht selbst in den Händen zu halten, aber das gestaltete sich äußerst schwierig, wenn man einer energisch auftretenden Frau sofort maskuline Züge unterstellte und sie als Mannweib betrachtete, das im Widerspruch zu den Gesetzen der Natur stand.
»Irre ich mich, was den Bischof von Salisbury betrifft?«, fragte sie.
Adeliza setzte sich auf ihr Bett.
»Der Bischof zählt seit langer Zeit zu den engsten Beratern deines Vaters«, erwiderte sie diplomatisch. »Er weiß, wie man aus Stroh Gold spinnen kann.«
»Und wie viel davon fließt in seine eigenen Taschen? Wie viel zweigt er ab, für seine Mätressen und Kinder, seine Paläste und Burgen? Welche Summen wendet er als Bestechungsgelder auf, um in alle Pläne im Land eingeweiht zu werden?«
»Ich schätze, diese Summen kennt nur Roger of Salisbury selbst, und sie ändern sich von einem Moment zum anderen, aber da er dafür sorgt, dass die Schatztruhen deines Vaters bis zum Rand gefüllt sind, bringt man ihm eine gewisse Nachsicht entgegen. Mach ihn dir nicht zum Feind. Er kann dir viel Gutes tun, dir aber auch großen Schaden zufügen.«
»Die Aufgabe eines Bischofs besteht darin, Gott und dem König zu dienen, nicht seinen eigenen Interessen«, beharrte Matilda. »Aber danke für den Rat.«
Sie tauchte den Zeigefinger in die Salbe und rieb ihre Hände damit ein. Wenn sie eines Tages über England herrschen sollte, würde sie auf die Unterstützung und das Wohlwollen der Kirche angewiesen sein, und Prälate wie Roger of Salisbury galt es entweder auf ihre Seite zu ziehen oder in Schach zu halten.
Am Morgen bereitete sich der Hof auf die Reise von Reading nach Windsor vor. Während Matilda darauf wartete, dass der Stallbursche ihre Stute brachte, musterte sie den Bischof von Salisbury mit schmalen Augen. Er stand, umgeben von seinem Gefolge, auf der anderen Seite des Hofes und war in ein Gespräch mit ihrem Vetter Stephen vertieft. Bischof Roger war nicht groß, aber stämmig gebaut, und seine juwelenbesetzten Amtsinsignien betonten seine Breite und physische Ausstrahlung. Der obere Teil seines Krummstabes war mit glänzendem blauen Email überzogen, und seine Gewänder waren mit so vielen silbergrauen Fäden verziert, dass er einem frostigen jungen Morgen glich. Sein weißes Reitpferd trug ein glitzerndes Geschirr, die fransengesäumte Satteldecke reichte fast bis zum Boden.
Matilda hatte bei ihrer Ankunft kurz im Hof mit ihm gesprochen, der Wortwechsel war zwar höflich, aber kurz und zurückhaltend ausgefallen. Ihrem Vetter Stephen gegenüber gab sich der Bischof wesentlich leutseliger.
Brian FitzCounts Stallknecht führte Sable in den Hof. Brian kam hinzu und nahm ihm mit einem kurzen Dank die Zügel ab. Seine dunklen Augen wanderten über den Bischof und Stephen hinweg, als er das Pferd zu Matilda hinüberführte und sich verneigte.
»Herrin, es interessiert Euch vielleicht, dass Euer Vater Waleran de Meulan wie besprochen in meine Obhut gegeben hat. Er bleibt in Wallingford in meinem Gewahrsam.«
John FitzGilbert, einer der Marschalls, erschien mit ihrer Stute. Brian nahm ihm die Zügel aus der Hand und half Matilda in den Sattel, bevor er auf Sable stieg.
Als sie nach den Zügeln griff, sagte sie:
»Ich habe gehört, dass mein Vater Salisburys Karriere so gefördert hat, weil er die Messe schneller lesen konnte als jeder andere Priester und das sehr nützlich war, wenn er den Männern vor einer Schlacht die Beichte abnehmen musste.«
Ein sarkastisches Lächeln spielte um Brians Lippen.
»Roger of Salisbury ist in der Tat ein Mann mit vielen Talenten, aber es steckt noch mehr dahinter. Er ist ein äußerst gerissener Verwalter – gerissener, als es gut für ihn ist, meinen einige, aber das wird die Zeit zeigen.«
»Die Königin erzählte mir, er könne aus Stroh Gold spinnen. Wenn ich mir ansehe, wie viel er davon am Leibe trägt, bin ich fast geneigt, das zu glauben.«
»Roger of Salisbury ist nicht der einzige Kirchenmann mit einer Vorliebe für weltliche Güter. Dasselbe trifft auch auf Euren Vetter, den Abt von Glastonbury, zu.«
Matilda
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