Die Hueterin der Krone
anzuerkennen. Zuerst leistete der Erzbischof von Canterbury seinen Eid, dann folgten alle Bischöfe des Landes. Roger of Salisbury trat vor und beugte sein steifes Knie, wobei er sich auf seinen Stab stützen musste. Dennoch klang seine Stimme klar und fest. Brian und Robert wechselten einen viel sagenden Blick. Roger of Salisbury war ein überragender Schauspieler und Politiker. Matilda antwortete ihm mit würdevoller Stimme, und Brian meinte, sein Herz müsse zerspringen. Sie würde eine große Herrscherin abgeben, wenn man ihr nur die Chance dazu gab.
Stephen of Blois ballte die Fäuste und zögerte, als er an die Reihe kam. Augenblicklich erhob sich Robert von seinem Platz zu den Füßen seines Vaters und trat vor, doch Stephen hatte sich schon wieder in der Gewalt, und die beiden Männer erreichten den Thron gleichzeitig.
»Ich glaube, es ist an mir, als Nächster den Eid zu schwören, Vetter«, raunte Stephen, er lächelte, aber seine Augen blieben kalt.
Robert hob die Brauen.
»Wie kommst du auf diesen Gedanken … Vetter?«
Noch immer lächelnd entgegnete Stephen:
»Liegt das nicht auf der Hand? Meine Mutter war die Tochter eines Königs.«
Brian zuckte an Roberts Stelle peinlich berührt zusammen. Wie seine war auch Gloucesters Mutter eine Konkubine gewesen, und Stephens Bemerkung kam fast einer Beleidigung gleich. Die Luft rund um die beiden Männer schien zu knistern, doch dann trat Robert zurück und verneigte sich.
»Jetzt, wo Ihr es sagt, Mylord, sehe ich ein, dass ich Euch tatsächlich den Vortritt lassen sollte, obwohl mein Vater ein König ist. Alle werden es zu schätzen wissen, dass Ihr es kaum erwarten könnt, meiner Schwester, der Kaiserin, den Treueeid zu leisten.«
Die Spannung erreichte ihren Höhepunkt, als die beiden Kontrahenten einen herausfordernden Blick wechselten. Stephen brach als Erster den Augenkontakt ab, kniete vor Matilda nieder, schob die Hände zwischen die ihren und schwor, sie als Erbin ihres Vaters anzuerkennen und zu unterstützen. Er sprach die Eidesformel, ohne ins Stocken zu geraten, aber seine Kiefermuskeln zuckten, und seiner Stimme mangelte es deutlich an Entschiedenheit. Robert schwor mit weithin hallenden Worten, die keinen Zweifel an seinen ehrlichen Absichten ließen. Als Brian an die Reihe kam, kniete er wie damals im September im Beratungssaal nieder und verschrieb sich ihr mit jeder Faser seines Seins. Er legte seine gesamte Überzeugung in seine Stimme, achtete aber darauf, dass man ihm seine Gefühle nicht vom Gesicht ablesen konnte, da ihn zu viele Leute zu scharf beobachteten. Der Blick, mit dem sie ihn bedachte, war der einer Herrin, die auf ihren Vasallen hinabschaut – freundlich zustimmend, aber voll kühler Distanz, die noch durch den Umstand verstärkt wurde, dass sie stand, und er kniete.
Nach der Schwurzeremonie setzte sich die Gesellschaft zu einem üppigen Festmahl nieder. Es gab Stör und gefüllten Lachs; würzige, mit Korinthen gespickte Fleischbällchen, Schwan und Pfau und Wild mit verschiedenen Soßen, dann Konfekt mit Honig, Rosenwasser und Ingwer. Die Tischgespräche blubberten wie ein Kessel über einem unablässig brennenden Feuer, und dank der Speisen und Getränke lockerte sich die Atmosphäre nach und nach, obwohl die Männer noch immer auf der Hut waren.
Gegen Ende des Mahls brach plötzlich im hinteren Ende der Halle ein kleiner Tumult aus, und Brian sah, wie John FitzGilbert, einer der Marschälle, einen Boten hinter den Tischen durch den Raum führte. Neuigkeiten, die nicht warten können, dachte Brian. Henry nahm dem Mann den Brief ab, erbrach das Siegel und überflog den Inhalt. Sein Gesicht und sein Hals liefen rot an, seine Züge verzerrten sich vor Wut. Er wandte sich zu den versammelten Edelleuten und bleckte seine schadhaften Zähne.
»Wie es aussieht, Mylords, müssen wir heute noch einen Trinkspruch auf ein Hochzeitspaar ausbringen.« Er fixierte jeden in der Runde mit einem durchbohrenden Blick. »William le Clito hat die Schwägerin des Königs von Frankreich geheiratet und Land im Vexin zugesprochen bekommen, das direkt an meine Ländereien grenzt.« Obwohl er von einem Trinkspruch gesprochen hatte, machte er keine Anstalten, seinen Becher zu erheben, und seine Stimme klang rau vor Zorn. »Das ist eine List von Louis, um meine politischen Pläne zu durchkreuzen. Nun gut, mag er tun, was er will, aber er wird mich nicht von meiner Absicht abbringen, dass meine Tochter über England herrschen wird.«
Brian
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