Die Hueterin der Krone
anstarrten, als Drogo ihr auf das Pferd half. Einige wirkten sichtlich betroffen, andere machten aus ihrer Verachtung kein Hehl. Aelis, eine angevinische Zofe, trug eine fast selbstgefällige Miene zur Schau. Matilda wandte sich von der jungen Frau mit den scharfen, fuchsartigen Zügen und dem geschmeidigen Körper ab. Wenn sie Geoffreys Bett wärmen wollte, nur zu.
Drogo befestigte Vliese um den Sattel, um es Matilda bequemer zu machen.
»Ich hätte bleiben sollen«, murrte er. »Warum bin ich nur in die Kirche gegangen?«
»Das hätte auch keinen Unterschied gemacht«, erwiderte sie matt. »Früher oder später musste es so kommen.« Sie griff nach den Zügeln, bot all ihre Willenskraft auf, und als das Pferd vom Hof trabte, hob sie den Kopf, um allen zu zeigen, dass ihr Stolz ungebrochen war. Sie wusste nicht, wie sie diese Reise überstehen sollte, aber die Aussicht auf Freiheit beflügelte sie, als sie unter dem Torbogen hindurchritt. Nie wieder würde Geoffrey sie schlagen und erniedrigen. Nie wieder würde man ihr den ihr gebührenden Respekt versagen. Ihr Vater mochte ja um der Sicherung seiner Grenzen und seiner politischen Winkelzüge willen auf diese Verbindung angewiesen sein, aber es musste noch einen anderen Weg geben, und darüber wollte sie später nachdenken. Jetzt hatte sie sich erst einmal zum Ziel gesetzt, zur nächsten Straßenbiegung, zum nächsten Baum und zum nächsten Haus zu gelangen – lauter kleine Meilensteine, die sie von der Hölle ihrer Ehe mit Geoffrey of Anjou fortführten.
Adeliza saß in ihrem Privatgemach in Windsor und hörte ihrem Kaplan Herman zu, der aus einem Tierbuch vorlas, während sie an einem Altartuch für die Abtei Reading arbeitete.
»Hört nun von dem Igel«, begann er. »Was wissen wir über ihn? Er weist die Gestalt eines kleinen Schweins mit Stacheln auf. Zur Zeit der Weinlese klettert er auf die Reben, an denen die Trauben hängen. Er weiß, welche reif sind, und reißt sie ab, er klettert wieder hinunter und streckt sich auf den Trauben aus, dann rollt er sich zu einem Ball zusammen. Wenn er seine Stacheln in alle Trauben gebohrt hat, trägt er sie zu seinen Kindern nach Hause.«
Das entzückende Bild, das durch die Worte in ihrem Kopf entstand, brachte Adeliza zuerst zum Lachen, dann wurde sie ernst. Eine Geschichte für Kinder, dachte sie, doch sie hatte auch eine religiöse Bedeutung – der Igel symbolisierte den Teufel, der die Seelen der Menschen davontrug.
Als Herman eine Atempause einlegte, stürmte Henry herein. Er war auf der Jagd gewesen, der Geruch nach Pferd und Schweiß umgab ihn wie eine beißende Wolke. Nachdem er seinen Hut abgenommen hatte, stand ihm das graue Haar zu Berge, und er hielt ein halb zerknülltes Pergamentstück in der geballten Faust. Adeliza konnte den Zorn spüren, den er wie heißen Dampf verströmte.
»Mylord, was ist denn?« Sie entließ Herman mit einer knappen Handbewegung und trat zu ihm.
»Lies selbst«, knurrte er, ihr das Pergament hinhaltend. »Meine Tochter ist in Rouen, und der angevinische Welpe hat die Ehe für nichtig erklärt.«
Adeliza rang erschrocken nach Luft.
»Aber warum?« Als sie die Worte überflog, schlug sie die Hand vor den Mund. »Mein Gott!« Sie blickte verwirrt zu ihm auf.
»Und jetzt lies das.« Er reichte ihr einen anderen Brief. »Der Bote ist auf der Straße beinahe zusammengebrochen. Die Nachricht kommt aus Angers. Geoffrey schreibt, er hätte sie fortgeschickt, weil sie eigenwillig ist, ihm nicht gehorcht und ihn bei jeder Gelegenheit beleidigt hat.«
Adeliza gab einen leisen, kehligen Laut von sich.
»Er duldet dieses Benehmen nicht länger, und solange sie ihre Fehler nicht einsieht und gewillt ist, seine Autorität anzuerkennen, will er sie nicht zurückhaben.«
Adeliza biss sich auf die Lippe.
»Sie wollte diese Heirat nicht. Ich glaube, sie hat noch immer nicht verwunden, dass sie ihren früheren Rang eingebüßt hat.«
»Aber es war ihre Pflicht, dafür zu sorgen, dass ihre neue Ehe ein Erfolg wird. Ich verlange, dass meine Kinder ihren Verpflichtungen nachkommen, denn sie schulden mir den Atem, der sie am Leben erhält.« Vor Unmut hatte er die Lippen so fest zusammengepresst, dass sie fast verschwanden. »Und ich werde meinem Schwiegersohn gleichfalls seine Pflichten klarmachen. Wenn er nicht Manns genug ist, mit seiner Frau fertig zu werden, was kann man dann überhaupt von ihm erwarten?« Schwer atmend riss Henry ihr die Briefe aus der Hand. »Ich wünsche, dass
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