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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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willen erneut schwören, oder willst du sie doppelt binden, weil du fürchtest, sie könnten ihr Wort brechen?«
    Sein Gesicht verdunkelte sich.
    »Niemand wird sich mir widersetzen!«, schnaubte er. »Niemand wird sein Wort brechen.« Er ballte die Faust, und sein durchbohrender Blick verriet ihr, dass er damit auch sie meinte. »Du wirst mir starke, gesunde Enkel schenken, die meine Nachfolge antreten, und sie werden unter meiner Anleitung herrschen und dann unter deiner und der deiner Verwandten, falls das nötig sein sollte.«
    Matilda fragte nicht, was wohl wäre, wenn Gott es anders fügte, weil sie wusste, dass das nur seinen Zorn erregen würde. Sie würde nach England reisen, und ein zweites Mal würden Männer vor ihr niederknien und einen Eid leisten, der vielen von ihnen nichts galt. Könige und Bischöfe und Magnaten. Und anschließend kehrte sie zu Geoffrey an den oberflächlichen angevinischen Hof zurück, über dreihundertfünfzig Meilen von England und hundertzwanzig Meilen von Rouen entfernt. Wenn das Gottes Wille war, was für eine andere Wahl blieb ihr dann?
    In ihren um den Körper flatternden Umhang gehüllt, stand Matilda neben Brian FitzCount auf dem Wehrgang von Northampton Castle und blickte auf die Stadt hinab, die sich unterhalb des Hügels gen Westen erstreckte. Die ersten Herbstwinde rissen die Blätter von den Bäumen, und auf dem Fluss Nene kräuselten sich blaugraue Wellen. Bei diesem Wind würde die Überfahrt zwar rau und unangenehm werden, aber wahrscheinlich wären sie schneller am Ziel. In ihrer Kammer packten die Zofen die Truhen, und da sie sich dort eingeengt gefühlt hatte, war Matilda ins Freie gegangen.
    Ein Mal mehr waren die Barone vor ihr niedergekniet und hatten geschworen, sie als Erbin ihres Vaters anzuerkennen, und wieder hatte sie an ihrer Aufrichtigkeit gezweifelt. Ihrem Widerstreben war sie mit hoch erhobenem Kopf und unbeug samer Miene begegnet. Wenn man von ihr verlangte, sich streng und hart wie ein König zu gebärden, würde sie die Männer nicht enttäuschen.
    Brian lehnte sich gegen die Palisade.
    »Der Eid besitzt wieder seine Gültigkeit, Herrin«, sagte er. »Eines Tages werdet Ihr Königin sein.«
    Matilda erwiderte nichts darauf. Seit ihrer Rückkehr nach England hatten sie nur selten miteinander gesprochen; sie und Brian schlichen umeinander herum, weil überall Fallen auf sie lauerten, sobald sie die Grenzen überschritten und sich nicht wie Herrin und Vasall verhielten. Brian hatte sie nicht auf ihre Ehe angesprochen, aber was sollte er auch sagen? Er wusste nicht, wie gewalttätig Geoffrey werden konnte. Zwar waren Gerüchte im Umlauf, aber in England hatte niemand ihre Verletzungen gesehen. Niemand hatte sie kriechen sehen, weil sie nicht aufrecht stehen konnte. Und letztendlich war auch Brian ein Mann.
    Wie nah er bei ihr stand. Sie hätte ihn berühren können. Ihre Umhänge bauschten sich und vollführten einen wilden Balztanz. Sie riskierte einen verstohlenen Blick auf ihn. Seine dunklen Augen waren auf den Fluss gerichtet, wo ein Fischer sein Boot ans Ufer zog und seinen Fang sortierte. Seine Schlüsselbeine zeichneten sich über dem Hemdkragen ab, und die maskuline Schwellung seines Adamsapfels war deutlich zu erkennen.
    »Wisst Ihr, wie oft ich mir gewünscht habe, ich wäre in Deutschland geblieben?«, fragte sie.
    »Ich bin froh, dass Ihr das nicht getan habt«, erwiderte er, ohne sich umzudrehen.
    Matilda schüttelte kaum merklich den Kopf. Traurigkeit stieg in ihr auf. Wie konnte sie von ihm erwarten, dass er sie verstand oder über die Grenzen seiner eigenen Wünsche hinausblickte? Er behauptete, froh zu sein, aber sie hatte von ihren Gefühlen gesprochen, nicht von seinen. Sie heftete den Blick auf seine Hände: die Goldringe, die langen, eleganten Finger, die dunklen Flecken.
    »Ihr habt ja immer noch Tinte an den Fingern.«
    Er wandte sich vom Fluss ab und schenkte ihr ein schwaches Lächeln.
    »Robert und ich haben die Bücher für Euren Vater geprüft, und ich habe mir ein paar Gedanken über den Eid gemacht.«
    »Tatsächlich?« Sie hob die Brauen.
    »Um Euch zu unterstützen«, stellte er klar. »Manche mögen behaupten, der Eid hätte keine Gültigkeit, weil sie ihn einer Frau gegenüber geleistet haben, aber das ist nur ein Vorwand. Jeder vor Gott geschworene Eid ist bindend. Sie haben Euch ja nicht unter Zwang die Treue geschworen. Heute hätten sich genug Männer zusammenschließen und den Eid verweigern können, aber

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