Die Hueterin der Krone
hatte gewusst, dass Matildas Ankunft unmittelbar bevorstand; zum Teil war er genau deswegen auf die Jagd gegangen – er hatte gespürt, dass dies seine letzte Gelegenheit war, wahre Freiheit auszukosten. Er entließ den Mann mit einer knappen Geste, biss sich in die Oberlippe und drehte sich um. Er blickte die Straße entlang, die der Kohlebrenner mit seinem neuen Esel genommen hatte. Dass er sich verirrt hatte, konnte ein böses Omen sein, und sein Gespräch mit Charbonnier auf dem Rückweg nach Loches hatte ihm sehr zu denken gegeben.
Matilda schritt in den Gemächern auf und ab, die ihr Geoffreys nervöse Diener zugewiesen hatten. Fast alles war für ihre Ankunft vorbereitet gewesen, in letzter Minute hatte man noch ein Feuer entzündet und warmes Waschwasser und Erfrischungen bereitgestellt. Nun hatten sich außer den Mitgliedern ihres Haushalts alle zurückgezogen. Sie war froh, dass Geoffrey auf der Jagd war, das verschaffte ihr die Zeit, sich eine Strategie zurechtzulegen. Noch immer war sie sich nicht im Klaren darüber, warum sie eigentlich hier war. Obwohl schriftlich und mündlich strikte Vorsichtsmaßnahmen bezüglich ihrer Person getroffen worden waren, empfand sie ein nagendes Unbehagen. Während ihrer Abwesenheit konnten ihre Rivalen in England daran arbeiten, die Thronfolgefrage zu ihren Gunsten zu entscheiden, und obwohl sie jetzt über ein größeres Gefolge verfügte, fühlte sie sich isoliert. Drogo war nicht mit ihr nach Anjou zurückgekehrt, sondern als Mönch in die Abtei Prémontré eingetreten. Andere hatten seinen Platz eingenommen, aber es waren Männer ihres Vaters und keine, die sie selbst ausgewählt hatte.
Zumindest hatte sie Aelis nicht zu Gesicht bekommen und auch keine Anzeichen dafür entdeckt, dass sie sich hier eingenistet hatte, und Matilda hatte auch nicht nach ihr gefragt. Geoffreys Diener hatten ihr ihre Unterkunft gezeigt und dafür gesorgt, dass es ihr an nichts fehlte, aber ansonsten Distanz gewahrt. Sie kam sich vor, als stünde sie in einem vergoldeten Käfig, wusste aber nicht, ob er sie vor dem Kommenden schützen oder ihr Gefängnis darstellen sollte, bis man sich ihrer entledigen wollte.
Ihre Kammertür flog unerwartet auf, dass sie zusammenzuckte, und Geoffrey stolzierte energiegeladen wie ein junger Löwe herein. Sein rotgoldenes Haar war ein Wust windzerzauster Locken, und seine Augen glichen klarem grünem Glas. Während der Zeit ihrer Trennung war er gewachsen und breiter geworden, die pubertären weichen Züge waren verschwunden, vor ihr stand ein attraktiver junger Mann. Er war atemberaubend. Und sie hasste und fürchtete ihn.
»Meine geliebte Frau – willkommen daheim.« Er vollführte eine spöttische Verneigung.
Eine grässliche Mischung aus Erregung und Beklommenheit stieg in ihr auf. Und sogleich war sie bereit, auf Leben und Tod mit ihm zu kämpfen. Sollte er sie noch ein Mal schlagen, würde einer von ihnen sterben.
»Ich hoffe, die Kammer ist nach deinem Geschmack?« Die Hände in die Hüften gestemmt, blickte er sich um.
»Danke, ja, Mylord, spätestens, wenn meine Dienstboten sie etwas wohnlicher hergerichtet haben.« Ihr Gefolge war bei Geoffreys Eintritt niedergekniet. Sie bedeutete ihnen, sich zu erheben und mit der Arbeit fortzufahren.
Seine Kiefermuskeln spannten sich an, aber in seinen Augen flackerte eine freudlose Belustigung auf.
»Es mag seltsam klingen, aber ich habe dich vermisst«, sagte er. »Diese eisigen, herausfordernden Blicke haben mir gefehlt. Niemand sonst kann mir so mühelos einen Schauer über den Rücken jagen.«
Sie musterte ihn voller Verachtung.
»Ich hätte eine Annullierung angestrebt, wenn es möglich gewesen wäre.«
»Meine süße Gemahlin, ich habe erwogen, sie dir zu gewäh ren.« Er blickte zu den Dienern hinüber. »Aber da das nicht sein soll und wir beide so gut wie möglich unser Kreuz tragen müssen, sollten wir einige Punkte klären.«
»Jetzt?« Sie kämpfte gegen ihre Furcht an.
»Warum nicht? Je eher, desto besser.« Er hob eine Hand, hielt dann aber mitten in der Geste inne. »Könntest du die Diener wegschicken?« Ein scharfer Unterton schwang in seiner Stimme mit, aber er war offensichtlich bereit, sich an die Bedingungen ihrer Versöhnung zu halten, wenn auch nur nach außen hin.
Sie fragte sich, was er wohl tun würde, wenn sie sich weigerte.
»Lasst uns allein«, befahl sie mit einer schroffen Geste, »aber bleibt in der Nähe. Ich werde euch rufen, wenn ich euch brauche.« Das
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