Die Hueterin der Krone
kümmerst«, flüsterte Matilda. »Du wirst sie lieben und dafür sorgen, dass sie gute Prinzen und ehrbare Männer werden.«
»Natürlich werde ich tun, was in meiner Macht steht«, entgegnete Adeliza mit gepresster Stimme.
»Jetzt sei nicht so dumm und fang an zu weinen«, schalt Matilda sie. »Wem hilft das weiter?« Wieder schloss sie die Augen, weil die Stickerei auf den Vorhängen sich erneut zu krümmen und zu glühen begann.
Pater Herbert erschien, um Matilda die Beichte abzunehmen, und Adeliza scheuchte alle anderen energisch in die Vorkammer hinaus. Dann nahm sie der Amme das satte, schlafende Baby ab, setzte sich hin, drückte es an ihre Brust und empfand ein plötzliches heftiges Aufwallen von Schmerz und Verlangen.
Henry hatte sich endlich von seinen Geschäften frei gemacht und betrat wie üblich mit kraftvollen Schritten das Zimmer. Sein Blick fiel auf Adeliza und den kleinen Geoffrey in ihren Armen.
»Wie ich sehe, wächst und gedeiht der Kleine. Wie geht es meiner Tochter?«
Adelizas Kinn zitterte. Die Leute hatten gut reden, wenn sie ihr sagten, sie solle nicht weinen, aber sie konnte nichts dagegen tun. Sie war kein Jammerlappen, sondern hatte nur näher am Wasser gebaut als andere.
»Der Priester ist bei ihr, spendet ihr Trost und nimmt ihr die Beichte ab«, entgegnete sie.
»Die Beichte?« Henrys Augen begannen zornig zu glühen. »So krank kann sie doch gar nicht sein! Die besten Ärzte behandeln sie. Ich weigere mich, das zu glauben!«
»Sie möchte vor dem Altar von Bec-Hellouin begraben werden«, stieß Adeliza mühsam hervor. »Und sie bat mich, für die Kinder zu sorgen.«
»So, hat sie das?« Henry blieb einen Moment lang stocksteif stehen, dann ging er auf und ab und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
»Du würdest sie ja in der Kathedrale bestatten lassen.«
»Natürlich wird sie dort bestattet. Dort sind alle Grabstätten der Herzöge der Normandie, also wird sie auch dort ruhen. Von diesem Bec-Unsinn will ich nichts hören!«
»Aber wenn es ihr letzter Wunsch ist …«, wandte Adeliza zaghaft ein.
Henry fuhr mit funkelnden Augen zu ihr herum.
»Bist du wirklich so eine Närrin, Weib? Kennst du meine Tochter immer noch nicht?«
Adeliza errötete.
»Sie ist störrisch«, erklärte er. »Sie wird bis zum letzten Atemzug mit mir um das Recht kämpfen, in Bec begraben zu werden. Solange ich ihr das verweigere, hat sie einen Grund zu leben. Erfülle ich ihr diesen Wunsch, könnte sie sich aufgeben. Sowie sie sich auf dem Weg der Besserung befindet, lenke ich vielleicht ein, aber dann wird es nicht mehr nötig sein.«
»Und falls sie doch stirbt?«
Wieder verhärteten sich seine Züge.
»Dann kommt sie nach Rouen, weil mein Wille Vorrang hat. Aber tu du, was du am besten kannst. Bete und flehe Gott an, dass sie am Leben bleibt.«
Adeliza senkte den Kopf, Gott erhörte ihre Gebete nicht immer. Sie versuchte, seinen Willen zu erfüllen und ihrem Mann eine gute Frau zu sein, aber manchmal fiel es ihr furchtbar schwer.
Sie gab das Baby der Amme zurück. Ja, sie würde Gott anflehen und Opfer darbringen – aber nicht hier in der Kathedrale, sondern in Bec. Sie würde die Jungfrau Maria um Gnade bitten, die die Qualen der Geburt kannte.
Matilda saß im Garten des Herrenhauses ihres Vaters in Le Petit-Quevilly und genoss den Sonnenschein. Vor zwei Monaten war sie bei der Geburt des kleinen Geoffrey fast gestorben, und ihre Genesung schritt langsam, aber stetig voran. In der letzten Woche hatte sie sich erstmals wieder wie ein Mensch und nicht wie ein Schatten gefühlt. Ihr Nähkorb stand neben ihr, und sie hatte ein kleines Messer, Federn und Pergament mitgebracht, um ein paar persönliche Briefe zu schreiben. Zuvor war sie zum ersten Mal seit fünf Monaten wieder ausgeritten. Ihr Mann hatte geschrieben und angefragt, wann sie nach Anjou zurückkehren werde, in wohlgesetzten Worten, die eher an eine höfliche politische Bitte erinnerten als an den glühenden Wunsch, dass sie wieder zu ihm zurückkehren möge. Er hatte sich nach seinen Söhnen und nach ihrer Gesundheit erkundigt und ihr eine Kiste mit Büchern und ein schönes Kreuz an einer blau und golden emaillierten Goldkette geschickt. Sie hatte geantwortet, sie gedenke vorerst in der Normandie zu bleiben, um ihre Position am Hof zu festigen.
Ihr Vater wollte noch immer nichts von ihrer Mitgift wissen und blieb dabei, dass er selbst den Zeitpunkt für die Übergabe festlegte. Er hatte ihrem Bruder Robert, der
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