Die Hueterin der Krone
und sie in die Arme schließen. Und am liebsten würde sie ihrem Vater seinen juwelenbesetzten Stock entreißen und ihn wieder und wieder über seinem Kopf zerbrechen.
Adeliza ließ den kleinen Henry auf ihrem Schoß auf und ab hüpfen und beobachtete, wie Matilda ihre Schmuckschatulle schloss und sie in einer größeren hölzernen Truhe verstaute.
»Du hättest nicht dazwischengehen sollen«, sagte Matilda verärgert. »Dazu bestand überhaupt kein Anlass.«
Adeliza küsste Henrys rötliche Locken und setzte ihn auf den Boden, als er zu zappeln begann. Er trottete zu einer Truhe, die eine Zofe gerade packte.
»Und ob. Ihr seid doch ziemlich aneinandergeraten. Wer weiß, wo alles geendet hätte.«
»Aber es war an mir, ihm die Stirn zu bieten, nicht an dir, in den Streit einzugreifen!«
»In einen Streit einzugreifen gehört zu den Vorrechten einer Königin«, beharrte Adeliza sanft. »Wäre es dir lieber, er hätte dich geschlagen?«
Matilda presste die Lippen zusammen und verstaute ihre Kosmetiktiegel in der Truhe.
Adeliza seufzte. »Ich wünschte, ihr würdet nicht im Bösen auseinandergehen.«
»Das liegt an meinem Vater. Ich bin schon zu lange hier, es ist höchste Zeit, dass ich nach Anjou zurückkehre. Wenn es dich beruhigt, kannst du ihm ja sagen, ich würde abreisen, um bei meinem Mann die Friedensstifterin zu spielen.«
»Und wirst du das tun?«
Matilda erwiderte nichts darauf, sondern fuhr mit dem Packen fort. Nach einer Weile erhob sich Adeliza, küsste sie und verließ die Kammer.
Geoffrey betrachtete seinen Namensvetter.
»Er sieht aus wie du«, stellte er fest, als er den Kleinen unter dem Kinn kitzelte. Sein zweiter Sohn musterte ihn aus ernsten grünen Augen. Man hatte ihm sein Häubchen abgenommen, damit sein Vater sein weiches dunkelbraunes, in lustigen Büscheln hochstehendes Haar sehen konnte. »Vielleicht wäre das nächste Mal eine Tochter ganz nützlich oder auch zwei, und dann noch zwei Söhne, um die Erbfolge zu sichern.« Seine Augen funkelten hämisch. »Was meinst du dazu?«
Matilda schnappte nicht nach dem Köder.
»Du wärst ein Narr, wenn du auf diese Weise für die Zukunft planst.«
»Oh, ich muss aber vorausplanen, sonst bin ich nicht vorbereitet, wenn die Zeit kommt.«
»Ich sagte ›auf diese Weise‹, nicht, dass du überhaupt keine Pläne machen sollst.«
Er gestand ihr den Punkt mit einem zugleich belustigten und gereizten Blick zu.
»Und jetzt wirst du mir gleich weismachen, dass du bei der Geburt fast gestorben bist und weitere Schwangerschaften zu gefährlich sind.«
Sie hob die Brauen.
»Wenn ich sterbe, gerät deine Machtposition außerhalb von Anjou noch mehr ins Wanken. Im Moment brauchst du mich noch lebendig und gesund.«
»Allerdings, und es schmeichelt mir, dass du dich entschlossen hast, nicht bei deinem Vater zu bleiben. Oder hat er dich geschickt, um Frieden zu schließen?«
»Du kennst meinen Vater nicht.«
»Im Gegenteil, ich kenne ihn nur zu gut.« Seine Aufmerksamkeit wurde von der Kinderfrau abgelenkt, die Henry hereinbrachte. »Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, war er ein Baby mit Windeln, und schau ihn dir jetzt an!« Vor Stolz strahlend hockte sich Geoffrey vor seinen Sohn. Durch Aelis’ Sprößlinge war er an den Umgang mit Kindern gewöhnt. Der Altersunterschied war nicht sehr groß, aber der kleine Henry war sein Erbe, der zukünftige Graf von Anjou, und außerdem hatte er etwas an sich, das in Geoffrey eine für ihn untypische Zärtlichkeit auslöste. Matilda hatte ihn in ihrem Schoß getragen, aber er hatte mit seinem Samen sein Leben begründet. Er nahm Henry auf den Arm. Ein Kind zu halten galt für einen erwachsenen Mann von Rang als unschicklich, aber in diesem Moment wollte er aller Welt beweisen, dass dies sein von ihm anerkanntes Fleisch und Blut war; sein Sohn, der einmal auf dem Thron sitzen würde.
Henry lachte und entblößte perlweiße Milchzähne. Er deutete auf das Muster auf der blauen Tunika seines Vaters.
»Löwe«, verkündete er laut. »Mein Löwe.«
Geoffrey sah Matilda verwirrt an. »Mein Löwe? Wer hat ihm denn das beigebracht?«
Matilda errötete. »Ich nenne ihn meinen kleinen Löwen. Er hat einen Spielzeuglöwen aus Holz und ein Kissen, auf das ein großer goldener Löwe aufgestickt ist. Eines Tages wird er König sein. Warum soll man ihn nicht von klein auf mit den Symbolen der Königswürde vertraut machen?«
»Da stimme ich dir zu.« Geoffrey nickte. »Wir müssen das in ihm verwurzeln.
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