Die Hueterin der Krone
erwartet, dass er einlenken würde, aber in den nächsten Monaten würde sie ihn bearbeiten wie Wasser, das einen Fels aushöhlt. Er musste einsehen, dass sich die Situation zuspitzte, wenn er keine Zugeständnisse machte. Er konnte die Zügel nicht ewig in der Hand halten.
Ein drittes Mal knieten die Barone vor Matilda nieder, um ihr die Treue zu schwören, und diesmal auch ihrem kleinen Sohn, der auf ihrem Knie saß. Sein kupfernes Haar umgab seinen Kopf wie ein schimmernder Heiligenschein oder eine Krone. Das Bild der Madonna mit dem Kind war eine mächtige Waffe, die Matilda bedenkenlos einsetzte. Die Versammlung war kleiner als zuvor und setzte sich vor allem aus normannischen Baronen zusammen. Aber auch Robert of Gloucester und Brian FitzCount waren am Morgen der Zeremonie aus England eingetroffen und mischten sich unter die Leute in der Kathedrale von Rouen.
»Das ist also Englands zukünftiger König.« Ihr Bruder kitzelte Henry unter dem Kinn. »Wir beide sollten einander besser kennen lernen, junger Mann.«
»Ja«, antwortete Matilda bestimmt. »Er erhält eine Erziehung, um diese Rolle auszufüllen, und wird von Männern angeleitet und unterstützt. Man wird ihn mit den Gesetzen vertraut machen, und er wird lernen, wie er sich und sein Land schützen kann. Er wird lernen, Freunde von Feinden und guten Rat von schlechtem zu unterscheiden.«
»Du sprichst mit großer Überzeugung, Schwester«, sagte Robert lächelnd.
»Das muss ich auch«, erwiderte sie mit einem Blick auf Brian, der Henry mit einem fast gequälten Ausdruck in seinen dunklen Augen betrachtete. »Ich hoffe, er wird von Euch den vernünftigen Umgang mit Geld lernen, Lord FitzCount«, sagte sie und fügte neckisch hinzu: »Aber wie man ein Zelt aufbaut, müssen ihn andere lehren.«
Brians Miene hellte sich auf.
»Ich dachte, ich hätte mich angesichts der Umstände wacker geschlagen, und ich lerne aus meinen Fehlern. Aber ich werde ihn gern an meinen Erfahrungen teilhaben lassen.«
Ein warmer Funke glomm in Matildas Augen auf.
»Sicherlich kann er von Euch viel Wertvolles lernen.«
Brian neigte den Kopf.
»Es wird mir eine Ehre sein, ihm alles beizubringen, was Ihr für nötig erachtet.« Er verneigte sich und ging davon, um mit einigen seiner Barone zu sprechen, die er lange nicht gesehen hatte.
Robert sah ihm nach.
»Zu schade, dass er keine Erben hat. Seine Frau ist jetzt zu alt, um ihm noch Söhne und Töchter zu schenken.« Er warf ihr einen warnenden Blick zu. »Sei im Umgang mit ihm etwas vorsichtig, Matilda.«
Sie rümpfte die Nase.
»Inwiefern? Ich hoffe doch sehr, du willst nicht andeuten …«
»Nein, nein, natürlich nicht.« Er hob die Hand, um ihr das Wort abzuschneiden. »Er ist ein guter Freund und mächtiger Verbündeter. Jeder kann sehen, dass ihm viel an dir liegt, aber er kennt seinen Platz, und er ist loyal und persönlich absolut integer – genau wie du. Bewegt euch innerhalb dieser Grenzen. Und gib niemandem Anlass, einen Skandal zu wittern – genau darauf lauern sie.«
Matilda straffte sich kampfeslustig, aber ihre Gedanken überschlugen sich, und als sie vernehmlich den Atem ausstieß, war sie eher nachdenklich als verärgert.
»Du spielst doch auf bestimmte Personen an, oder?«
Robert rückte näher an sie heran und brachte die Lippen an ihr Ohr.
»Natürlich, und sie werden dich mit Argusaugen beobachten, weil sie um jeden Preis Zweifel an deiner Fähigkeit als Herrscherin über England säen wollen. Du musst über jeden Vorwurf erhaben sein.« Er nickte zu einer Gruppe von Edelleuten hinüber, die sich hinter ihnen angeregt unterhielten. Matilda folgte seinem Blick nicht. Sie wusste, dass er Waleran de Meulan meinte, der le Clito unterstützt hatte und bis nach le Clitos Tod von Brian in Wallingford gefangen gehalten worden war. Die Bischöfe von Salisbury und Winchester hatten Spione, die jeden ihrer Schritte überwachten, aufpassten, wie lange sie mit jemandem sprach, und alles an ihre Herren weitergaben. Der Gedanke verursachte ihr eine Gänsehaut. Auch Brian musste davon wissen.
»Sie werden nichts finden«, erwiderte Matilda, »denn es gibt keine Geheimnisse, die sie ausgraben könnten, und ich werde nicht zulassen, dass sie treue Dienstboten und Freundschaften in den Schmutz ziehen.«
Robert nickte.
»Gut. Trotzdem musste ich dich warnen.«
»Und dafür danke ich dir.« Sie berührte seinen Ärmel. »Wo du schon einmal hier bist … ich muss dich um einen Gefallen bitten. Ich möchte,
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