Die Hueterin der Krone
in seiner anmaßenden Art Anweisungen erteilen zu sehen.
Talvas rieb sich den Nacken. »Auch deshalb bin ich froh, dass Ihr gekommen seid. Er ist verwundet worden. Der Mann, den wir gehängt haben, hat Geoffrey mit einem Speer am Fuß verletzt. Er liegt in einer Kammer in der Burg und lässt sich von einem Wundarzt behandeln.«
Matilda kämpfte ihre aufkeimende Panik nieder. Sie konnte es sich jetzt nicht leisten, Geoffrey zu verlieren, es stand so viel auf dem Spiel, und ihre Söhne waren noch so klein. »Wie schlimm ist es?«
Talvas zuckte die Achseln. »Er kann eine ganze Weile nur einen Stiefel tragen.«
Matilda machte sich auf die Suche nach ihrem Mann und fand ihn in der Kammer, die Talvas ihr beschrieben hatte. Er hatte eine fast leere Weinkaraffe vor sich stehen und ein volles Glas in der Hand. Rote Flecken leuchteten auf seinen Wangen, und seine Augen hatten sich vor Schmerz getrübt. Sein schmutziges schweißnasses Haar klebte an seinem Kopf, das jetzt eher schlammig braun als golden aussah. Er lag in seiner vom Kampf besudelten Kleidung auf blutbefleckten Laken, und der Wundarzt wusch sich gerade die Hände in einer Schüssel mit Wasser, das sich rot verfärbt hatte. Auf einem Tisch neben ihm lag ein aufgeschnürtes Bündel mit seinen Gerätschaften, darunter ein paar gefährlich aussehende Nadeln. Geoffreys dick verbundenes Bein ruhte auf aufgetürmten Kissen.
»Großer Gott!«, entfuhr es ihr.
Er richtete die blutunterlaufenen Augen auf sie. »Ah, meine geliebte Frau. Ich habe mich schon gefragt, wann du auftauchst. Du bist leider zu spät gekommen, um noch irgendetwas auszurichten, du kannst dich nur noch an meinem Zustand weiden.«
»Warum sollte ich das tun, wo du doch für meine Interessen kämpfst?«, fauchte sie. Sie war erschütterter, als sie zugeben wollte. »Wie schlimm ist es?«
Er schnitt eine Grimasse. »Mein Fuß ist wie ein aufgeschlitzter ausgenommener Hering. Ich kann nicht laufen, ich kann nicht reiten. Großer Gott, ich werde einen gegabelten Ast als Krücke benutzen müssen wie einer dieser Bettler vor einem Klostertor – und das vielleicht wochenlang!«
»Stimmt das?«, wandte sich Matilda an den Wundarzt, der bekümmert nickte.
»Ich habe mein Bestes getan, Herrin, aber der Graf wird einige Tage lang nicht auf einem Pferd sitzen und schon gar nicht gehen können.«
Sie presste die Lippen zusammen und wandte sich wieder zu ihrem Mann um. Die Angst machte sie reizbar. Sie wollte nicht an William le Clito denken, der an einer an sich harmlosen Wunde an der Hand gestorben war, weil sie zu eitern begonnen und er sich eine Blutvergiftung zugezogen hatte. »Was soll denn jetzt geschehen? Du kannst in dieser ausgebrannten Ruine nicht bleiben, und Waleran de Meulan befindet sich mit seinen Truppen in der Nähe.«
»Mein Fuß mag verletzt sein, aber meinem Verstand fehlt nichts!«, fuhr er sie an. »Mir ist nur zu gut bekannt, wo sich de Meulan aufhält. Seit wann weißt du denn über Kriegsführung Bescheid?«
»Seit du mir aufgetragen hast, Verstärkung aus Argentan hierherzubringen«, konterte sie.
»Die leider nicht rechtzeitig eingetroffen ist. Wenn du dich mehr beeilt hättest, hätte ich Lisieux einnehmen können.«
Matildas Augen sprühten Feuer. »Wir sind so schnell gekommen, wie wir konnten. Du hättest früher nach uns schicken sollen. Das ist dein Versäumnis, nicht meines, mein großer Kriegsheld.«
Er setzte sich mühsam auf. »Herrgott noch mal, halt den Mund, du zänkische Hexe! Weißt du, was für eine Hölle dieser Feldzug war? Weißt du, wie viel Blut und Schweiß er uns gekostet hat, während du sicher hinter den hohen Mauern von Argentan gesessen hast? Und dann erdreistest du dich, nach einem Tagesritt und ohne zu kämpfen, mir vorzuwerfen, ich hätte versagt?« Seine Stimme überschlug sich fast, und Tränen der Wut schimmerten in seinen Augen.
Sie winkte ungeduldig ab. »Trotzdem, du hast Lisieux nicht eingenommen, und wir sind hier nicht sicher. Jemand muss die nächsten Schritte planen. Ich habe dir Verstärkung und Vorräte mitgebracht, aber nicht genug, um alle deine und meine Männer zu versorgen. Wir sollten Plünderertrupps losschicken, aber wie weit werden sie ausschwärmen müssen?«
Geoffrey wandte sich ab. »Ich rede nicht länger mit dir«, krächzte er heiser.
Der Wundarzt trat an das Bett und fühlte Geoffreys Stirn. »Er hat Fieber, Herrin«, sagte er. »Kommt lieber wieder, wenn er sich ausgeruht hat.«
»Gut«, willigte sie ein.
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