Die Hueterin der Krone
sie zugerannt. »Herrin, am Tor ist ein englischer Lord, der um Einlass bittet. Sire Baldwin de Redvers und sein Gefolge.«
Matilda holte tief Luft. Baldwin de Redvers war der einzige englische Baron, der sich geweigert hatte, Stephen seine Ehrerbietung zu erweisen. Er sagte, er habe geschworen, zu ihr zu halten, und diesen Schwur werde er bis zu seinem letzten Atemzug nicht brechen. Stephen hatte ihn in seiner Burg in Exeter belagert, und de Redvers war gezwungen gewesen, sich zu ergeben, als die Brunnen in der sengenden Sommerhitze versiegt waren. Das Letzte, was sie von ihm gehört hatte, war, dass er in Carisbrook Castle auf der Isle of Wight ausharrte und den Schiffsverkehr zwischen England und der Normandie behinderte.
»Lass ihn ein und heiße ihn willkommen«, befahl sie.
Die Tore wurden geöffnet, und eine Reitertruppe auf erschöpften Pferden strömte herein. Die Männer starrten nach der langen Reise vor Dreck und sahen ausgezehrt aus. Trotz der Abnutzungsspuren wirkten ihre Rüstungen gepflegt, und ihre Träger bemühten sich um Haltung.
»Meine Königin.« De Redvers stieg ab und kniete mit gesenktem Kopf vor ihr nieder. Seine Männer und die Frauen folgten seinem Beispiel, denn die Ritter hatten ihre Familien ins Exil mitgenommen.
»Erhebt euch«, gebot Matilda. »Ihr alle.« Sie war de Redvers persönlich beim Aufstehen behilflich und gab ihm den Friedenskuss auf die sonnenverbrannten Wangen. Auf einen raschen Befehl hin kümmerten Diener sich eilig um Erfrischungen, während andere die Ställe für die Pferde und Unterkünfte für die Neuankömmlinge vorbereiteten. Flüchtig begrüßte Matilda den Rest des Gefolges und bedeutete Henrys Stallknecht, das Pony samt Reiter zu ihnen zu führen.
»Dies ist mein Sohn und Erbe«, verkündete sie. »Der zukünftige Herzog der Normandie und König von England. Henry, dies sind alles uns treu ergebene Männer. Was sagst du?«
»Gott zum Gruß«, sagte Henry mit hoher Stimme. »Seid willkommen.« Er verbeugte sich im Sattel.
De Redvers kniete erneut nieder. Sein Gefolge tat es ihm nach. Matilda tippte ihm auf die Schulter; eine wortlose Aufforderung, sich zu erheben.
Der harte Mund des Ritters verzog sich leicht nach oben. »Mylord ist bereits ein prächtiger kleiner König«, stellte er fest.
»Er wächst jeden Tag mehr in die Rolle hinein, die ihm laut seinem Geburtsrecht zusteht«, erwiderte Matilda. »Eines Tages wird er als guter, gerechter König über sein Land herrschen, und wir werden die Dienste nicht vergessen, die Ihr uns erwiesen habt. Und nun kommt herein und berichtet mir, was es Neues gibt.«
De Redvers wusch sich den Straßenstaub von den Händen und dem Gesicht und trank einen großen Schluck aus seinem Kelch.
»Ich bin gekommen, um Euch und dem Grafen von Anjou mein Schwert und meine Dienste anzubieten«, sagte er. »Ich kann mich in England nicht länger halten. Meine Ländereien habe ich verloren. Alles, was mir geblieben ist, habe ich auf meine Packpferde geladen und mitgebracht. Aber solange ich noch atmen kann, werde ich für Euch und Euren Sohn kämpfen.«
»Ich danke Euch für Eure Loyalität«, entgegnete Matilda. »Ich werde Euch und Eure Männer so bald wie möglich belohnen. Im Moment kann ich Euch und Eurer Gefolgschaft nur Mahlzeiten und Unterkünfte anbieten. Ich habe auch einen geschickten Waffenschmied. Eure Ausrüstung wird repariert oder gegebenenfalls ersetzt.«
De Redvers verbeugte sich dankend. »Ich habe schon viel von der Kunst Robert of Argentans gehört und seine Arbeiten gesehen. Der Earl of Gloucester trägt Kettenhemden von ihm.«
»Solange er am Hof weilt, wohl kaum«, versetzte Matilda trocken.
»Ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis er Stephen verlässt, Herrin. Als ich in Exeter unter Belagerung stand, habe ich vieles gehört und gesehen. Der König wird von denjenigen, die nach Macht dürsten, wie eine Schachfigur hin und her geschoben. Er behandelt den Earl of Gloucester höflich, schließt ihn aber von seinen Ratsversammlungen aus. Die Beaumont-Brüder und der Bischof von Winchester sind die Sterne am Firmament, und obwohl sie verfeindet sind, wollen beide Parteien Stephens rechte Hand sein.«
Matilda nahm Platz nnd bedeutete Baldwin, es ihr gleichzutun. Solche Nachrichten brauchte sie – direkt vom Hof, überbracht von einem Mann, der ihr in absoluter Treue ergeben war. »Reicht das aus, um den Hof in zwei Lager zu spalten?«
»Noch nicht, Herrin, aber es klaffen Risse. Die
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