Die Hueterin der Krone
Missverständnis. Ich schwöre dir, dass so etwas nicht wieder vorkommt, aber komm nächstes Mal mit deinen Plänen vorher zu mir. Wir werden es bei diesem Kompromiss belassen und Frieden schließen, denn wir müssen eine Armee in Marsch setzen.«
Gloucester nickte knapp. »So sei es, aber noch mehr lasse ich mir nicht bieten.«
Stephen gab ihm den Friedenskuss. »Gut. Und jetzt legt ihr euren Streit gleichfalls bei.«
D’Ypres’ Hals schwoll an, bis die Adern dick hervortraten, und er sah aus, als läge ihm ein ganzer Schwall unausgesprochener böser Worte auf der Zunge. Gloucester zögerte, dann nahm er den Flamen bei den Schultern, und die beiden Männer umarmten sich. Diese Geste zeugte eher von Gewaltbereitschaft als von guten Vorsätzen. Beiden Hunden hatte man zwar die Leine angelegt, aber keiner trug einen Maulkorb.
Will beschloss, sich von beiden fernzuhalten und sein Bestes zu tun, um nicht gebissen zu werden. Sicher würde Blut fließen, auch wenn die Gefahr im Moment gebannt war. Allerdings schien jeder eine andere Auffassung von der Wahrheit zu haben und die Flammen anzufachen, während das fundamentale Feuer allmählich erlosch.
Will vermochte seinem Schwur, sich aus allen Schwierigkeiten herauszuhalten, nur etwas mehr als eine Woche lang treu zu bleiben. Der König hatte bei Livarot ein Lager aufbauen lassen, um von dort aus Lisieux zurückzuerobern und Geoffrey of Anjou zu einer Schlacht zu zwingen. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass seine Männer ihre Zelte aufgebaut und ihre Pferde versorgt hatten, zog sich Will in sein Quartier zurück.
Er ließ die Zeltklappe hinunterfallen, ging zu dem kleinen Altar neben seinem Bett und kniete nieder, um Gott dafür zu danken, dass er ihm an einem weiteren Tag beigestanden hatte. Er flehte ihn an, ihn auch weiterhin vor dem Bösen zu beschützen, und bat um Vergebung für seine Sünden. Auf dem Altar stand ein kleines, wunderbar gearbeitetes Kästchen, das Königin Adeliza ihm geschenkt hatte, als er noch ihre Eskorte anführte. Er umschloss das zierliche Behältnis mit seiner großen Hand und fuhr mit dem Daumen über die Silbereinlegearbeit und die kunstvolle blaue Emailleverzierung. Das Kästchen enthielt einige Stücke Weihrauch und einen kleinen Silberlöffel mit dem Bild der Jungfrau Maria am oberen Teil des Stiels. Er ging sparsam mit dem Weihrauch um und verbrannte ihn nur zu besonderen Gelegenheiten, weil er sich Adelizas Geschenk so lange wie möglich bewahren wollte und weil Weih rauch, der ja dem Christuskind im Stall von Bethlehem als Gabe dargebracht worden war, nicht für profane weltliche Anlässe verschwendet werden sollte. In seinem Rauch verbarg sich der Atem Gottes.
Wenn Will betete, dachte er oft an Adeliza. Seine Vorstellung von der Himmelskönigin war für ihn untrennbar mit dem Bild von ihr verbunden, mit einer Krone auf dem Kopf und in ein silbernes Gewand und einen blauen Umhang gehüllt. Er dachte oft an sie, obwohl er wusste, dass sie sich nach Wilton zurückgezogen hatte und ihr Leben guten Taten widmete. Für ihn blieb sie immer eine Königin. Wenn er nach England zurückkehrte und sein Weg ihn an dem Kloster vorbeiführte, würde er sie besuchen und ihr seine Aufwartung machen.
Lautes Gebrüll draußen vor dem Zelt riss ihn aus seiner wehmütigen Versunkenheit. Er stellte das Weihrauchkästchen auf den Altar zurück und eilte ins Freie, wo er im nächsten Moment mit einem normannischen Soldaten mit blutender Nase und aufgeplatzter Lippe zusammenprallte. Ein Flame ging mit verbissener Miene auf den Mann los und schmetterte ihm erneut die geballte Faust ins Gesicht. Will, der zurückgetaumelt war, richtete sich wieder auf, packte den Flamen bei den Schultern und stieß ihn zur Seite. Ein Dolch blitzte auf, und eine heiße Schmerzspur zog sich über Wills Rippen. Er wich dem zweiten Dolchstoß aus und bekam den Flamen am Handgelenk zu fassen. Er verdrehte seinen Arm und entwaffnete den Gegner. Einige Albini-Ritter, die zuerst starr vor Schreck dagestanden hatten, stürzten sich nun auch in das Getümmel. Der Flame wurde überwältigt. Doch dann tauchten einige seiner Kameraden aus dem Dunkel auf, um ihm zu Hilfe zu kommen, und wurden ihrerseits von weiteren wütenden Normannen verfolgt. Will schlüpfte in sein Zelt, griff nach seinem Schwert und seinem Schild und stülpte sich seinen Helm über. Seine Seite pochte genauso heftig wie sein Herz. Er wusste nicht, wie stark er blutete, aber sein Wams wies außen noch
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