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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Finger von der Otterfrau! Wenn du schon deinen Spaß haben willst, komm lieber zu mir. Ich hab zwei neue blonde Bademägde, zart und unschuldig wie kleine Vögelchen. Die werden dir gefallen.«
    Veit starrte auf seine Hände. Sie redeten also schon. Genauso, wie Agnes es prophezeit hatte. Die tausend neugierigen Augen und Ohren der Stadt – sie hatte Recht gehabt. Wenn Marie davon erführe …
    Er schob den Gedanken schnell beiseite. Sie lebten sehr zurückgezogen, und Marie machte sich nichts aus Tratsch, genauso wenig wie ihr Vater, der Braumeister. Dem allerdings käme jeder Anlass gerade recht, um gegen ihn zu hetzen. Das hieß, er musste in Zukunft noch vorsichtiger sein als bisher. Denn die Stunden mit Ava aufzugeben, daran dachte er keinen Augenblick.
    »Danke für das Angebot.« Diesmal zuckte Veit nicht zusammen, als er die scharfe Klinge des Fliets spürte. Langsam begann das Blut aus seinem Arm zu rinnen. »Vielleicht ein anderes Mal. Aber im Augenblick gilt meine ganze Aufmerksamkeit ausschließlich der Heiligen Familie. Der Fürstbischof, du verstehst? Ich möchte kein zusätzliches Risiko eingehen.«
    Er wartete, bis Stoiber fertig war und ihn verbunden hatte.
    »Ich geb dir auch einen guten Rat«, sagte er, während er Münzen auf den Tisch zählte. »Man sagt zwar, Kindermund täte Wahrheit kund, aber manchmal lügen diese kleinen Strolche auch das Blaue vom Himmel herunter. Dieses Rothäubchen ist doch nichts als eine Feder im Wind. Die plappert nach, was immer man ihr vorsagt. Und wer weiß schon, wer ihr welchen Unsinn eingeredet hat? Daran solltest du denken, Bader, in diesen schwierigen Zeiten. Vor allem aber daran, wer bei dir sein Geld lässt.«

    Als es elf schlug, begannen alle Glocken Bambergs zu läuten: die dunklen vom Dom, die fröhlichen von St. Stephan, die altehrwürdigen von St. Jakob. Die blechernen, die im Turm von St. Gangolf hingen und schon längst wieder einmal in die Gießerei gehört hätten. Doch eine erhob sich über all die anderen, und Friedrich Förner konnte seine Befriedigung kaum verbergen, als er ihren hellen, silbrigen Klang hörte. Die Schutzengelglocke von St. Martin war die schönste Glocke der Stadt, und sie schlug allein zu Ehren der himmlischen Jungfrau.
    Jahr für Jahr konnte er es kaum erwarten, bis endlich der Oktober angebrochen war, der Monat, der Maria geweiht war. Er bevorzugte ihn vor dem Mai, wo alles strotzte und prangte und ihm dieses berstende, fast schon geschlechtlich wirkende Wachstum der Natur schnell zu viel wurde. Jetzt, im Herbst, wo es endlich wieder karger und damit übersichtlich wurde und alles seine Form zurückbekam, war es einfacher, sich zu sammeln und in sich zu gehen. Tief im Herzen war die Andacht zu Hause, die allein die Gottesmutter verdiente.
    Wie abgrundtief er sonst die Weiber verabscheute!
    Jene unzüchtigen Geschöpfe, nach der Ansicht seines verehrten Lehrers Thomas von Aquin nichts als verstümmelte und verunglückte Männer. Sie hatten dem Teufel Einlass verschafft, indem sie das Siegel des Paradiesbaumes gebrochen und damit das göttliche Gesetz verletzt hatten. Nun taugten sie nur noch dazu, die Geilheit der Männer zu befriedigen – nachdem sie sie erst durch ihr wollüstiges Verhalten angefacht hatten.
    Er selber hatte das bitter erfahren müssen. Ein paar schwache Augenblicke hatten alles verändert. Bis heute war es ihm schmerzlich bewusst. Er war gestrauchelt, bezwungen von den diabolischen Kräften eines Weibes. Sogar seine geliebte Schwester vermochte er nicht vollständig von dem Vorwurf der Wollust freizusprechen, obwohl Barbara als fromme Nonne gestorben war.
    Ganz anders die Madonna.
    Niemals hatte sie sich der Fleischeslust hingegeben. Kein Mann hatte sie besessen, kein männlicher Same jemals ihre Jungfräulichkeit besudelt. Maria war Jungfrau geblieben, sogar nach der Geburt ihres Sohnes, eine Vorstellung, die ihn stets aufs Neue entzückte.
    Aus diesem Grund wurde im Oktober in St. Martin jeden Morgen und jeden Abend der Rosenkranz gebetet, und es erfüllte ihn mit Stolz, dass die Menschen vor und nach ihrer Arbeit in sein Gotteshaus strebten. Gabriel Hofmeister behauptete zwar, sie täten das vor allem in der Hoffnung, wieder seine inzwischen berühmten Drutenpredigten zu hören, aber er wollte es nicht recht glauben.
    In Zeil gingen die Verbrennungen stetig voran, zu langsam für seinen Geschmack, aber immerhin. Die Liste der besagten Personen wurde länger und länger. Es würde Monate dauern, bis

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