Die Hüterin der Quelle
viel von Frauen verstehst, Braumeister. Ich werde es in Ehren halten, das versprech ich dir. Einen neuen Dienstherrn brauch ich übrigens nicht, weil es mir bei dir gar nicht übel gefällt, alles in allem betrachtet. Und was das Essen heute Abend betrifft, so …«
»Ja?«, unterbrach er sie hoffnungsvoll.
»… bin ich auf deinen Bock schon gespannt. Ich werd in der Stube decken. Wenn es acht schlägt. Für zwei Personen.«
»Du hast Gewicht verloren.« Die Stimme Stoibers verriet Anerkennung. »Eine ganze Menge, oder? Steht dir. Macht dich irgendwie jünger. Hast du dich auch sonst an meine Anweisungen gehalten?«
»So gut es eben ging. Die Hände tun mir weh, weil ich so viel arbeite. Seit Simon fort ist, lastet alles auf mir«, sagte Veit Sternen. »Und das hat nichts mit der Gicht zu tun. Das liegt an ganz anderen Dingen.«
»Wann rechnet ihr denn mit seiner Rückkehr?«
»Ich hoffe, dass er noch vor Weihnachten kommt. Ist kein gutes Gefühl, den Buben da irgendwo allein in den Bergen zu wissen, inmitten von Kälte und Schnee.«
»Ach, Simon ist in Ordnung – und längst kein Bub mehr! Der schlägt sich schon durch.« Der Bader begann seinen Mörser zu bewegen, dann hielt er plötzlich inne. »Sag nur, du bist an Otterfett gekommen! Dann will ich aber auch die Quelle erfahren, nach allem, was ich für dich getan habe!«
Zu seinem Ärger spürte Veit, wie plötzlich Hitze in sein Gesicht stieg. »Otterfett – wie kommst du ausgerechnet darauf?«
Agnes fiel ihm ein und die Drohungen, die sie in seiner Werkstatt ausgestoßen hatte. Seitdem hatte sie ihn nicht mehr belästigt. Aber er rechnete damit, dass es jeden Tag wieder losgehen konnte.
»Weil du lange nicht mehr hier warst und auch jetzt nicht über Beschwerden klagst. Und weil es einfach das Beste gegen Gicht ist – das Einzige, was wirklich hilft, wenn du mich fragst. Der Fürstbischof ist offenbar auch dahinter her. Ich hab dir doch gesagt, dass du dein Leiden mit hochgestellten Persönlichkeiten teilst! Man munkelt, dieses Jahr stünde die größte Otterjagd seit Menschengedenken bevor. Diesen frechen Fischräubern stehen harte Zeiten bevor.« Er stellte seine Gerätschaften zur Seite. »Irgendwelche besonderen Wünsche?«
»Vielleicht ein kleiner Aderlass?«, sagte Veit. »Einen neuerlichen Gichtausbruch fürchte ich mehr als den Teufel.«
»Brauchst du dein Blut nicht eher für andere Dinge, Sternen?« Der Bader schob seine schmale Unterlippe vor. »Vielleicht wär Schröpfen angebrachter.«
Veit packte seinen Arm und hielt ihn fest.
»Bleib mir vom Hals mit deinen Würmern! Und wenn du nicht endlich mit deinen Anspielungen aufhörst …«
»Schon gut!« Stoiber machte sich frei. »Du brauchst dich nicht gleich aufzuregen. Von mir erfährst du alles, was du hören willst. Die Kleine war neulich hier. Na, schau mich nicht so groß an, die Kleine, die jetzt immer ein rotes Häubchen trägt. Sie kommt ab und zu bei uns vorbei, seit ihre Mutter gestorben ist. Das Bad war doch früher ihr Zuhause. Die Mädchen schenken ihr etwas zu essen oder nehmen sie auf den Schoß. Tut ihr gut, der armen Kleinen. Aber zum Glück ist sie jetzt nicht mehr ganz allein. Offenbar hat sie sich eine Art Brüderchen angelacht. Einen Sängerknaben! Als er das letzte Mal hier gesungen hat, war die ganze Badestube begeistert.«
»Was hat sie erzählt?«
»Erzählt?« Stoiber legte eine kunstvolle Pause ein. »Erzählt eigentlich gar nichts, wenn ich es recht bedenke, aber du weißt ja, wie Kinder so sind. Ein Wort ergibt das andere, und auf einmal waren wir bei der Otterfrau angelangt.« Sein Blick verriet nicht, was er dachte. »Wusste ja schon länger, dass du kein Kostverächter bist, aber muss es unbedingt dieses wilde Weib sein – in diesen schwierigen Zeiten?«
»Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Du bist doch kein Idiot, Sternen! Die ganze Stadt taumelt im Drutenfieber. Ein gefährlicher Tanz, bei dem man verdammt schnell heiße Füße bekommen kann. Und wer gerät leichter in Verdacht als jemand, der allein am Fluss lebt und Tränklein braut? Dazu noch dieses Tier, das angeblich mit ihr in einem Bett schlafen soll!«
Er schüttelte sich.
»Man sagt ja, ihr wüchse ein Otterschwanz, sobald sie nachts im Fluss schwimmt. Warst du schon einmal dabei? Hat sie dich in ihr Fell greifen lassen? Und wie ist es, sie zu … Ach, so genau will ich es gar nicht wissen! Mir graust schon, wenn ich nur daran denke. Ich gebe dir einen guten Rat: Lass die
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