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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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der Leiter, mit dem Talglicht in der Hand, das Gesicht zu einer halb weinerlich, halb wütenden Grimasse verzogen. Ihr Mund bewegte sich. Aber es war nicht hell genug für Selina, um die Worte ablesen zu können.
    Entschlossen drehte sie sich um und kletterte hinauf, bis sie schließlich am Tageslicht angelangt war.
    »Ich bin jetzt oben«, schrie sie nach unten. »Kommst du endlich?«
    Keine Antwort.
    Selina zögerte, aber nicht sehr lange. Dann lehnte sie die Tür zum Felsenkeller nur leicht an, anstatt sie wie gewohnt sorgfältig zu verschließen, und machte sich auf den Weg nach Hause.

    Um St. Martin hatte sich ein lebender Wall aus Menschenleibern gebildet, der nicht zurückweichen wollte, auch nicht, als das Portal aufging und die Glücklichen, die an Förners Messe hatten teilnehmen können, wieder herausströmten. Gabriel Hofmeister gab das Zeichen für den Einsatz der zehn kräftigen Männer, die er für diesen Zweck bereitgestellt hatte, und gemeinsam gelang es ihnen, die Menge auseinander zu treiben und langsam zu zerstreuen.
    Schweißgebadet, aber siegesgewiss ging er anschließend zu Förner in die Sakristei.
    »Alles in Ordnung, Monsignore«, sagte er. »Nicht einmal zu einem Handgemenge ist es gekommen, und das will etwas heißen, so erregt, wie die Leute heute waren. Schätze allerdings, wir werden unsere Truppe aufstocken müssen, wenn es so weitergeht. Sie lechzen nach Euren Worten und würden alles tun, was Ihr von ihnen verlangt.«
    Der Weihbischof saß auf einem harten Schemel und rührte sich nicht.
    »Was ist mit Euch?«, fragte Hofmeister. »Fehlt Euch etwas?«
    »Die kleine Lerche. Sie hat mich im Stich gelassen.«
    »Toni? Aber den hab ich doch vorhin in der Menge gesehen. Soll ich mich noch einmal nach ihm umschauen?«
    Eine müde Geste.
    »Ich bring ihn Euch, Monsignore, diesen Tunichtgut, und wenn ich ihn am Kragen herschleifen muss!«
    Doch schon vor der Türe prallte Hofmeister mit dem Jungen beinahe zusammen. Hofmeister packte Toni am Arm und schüttelte ihn unsanft.
    »Du machst vielleicht Geschichten! Der Weihbischof ist außer sich«, sagte er. »Was ist dir eingefallen, dich seiner Aufforderung zu widersetzen?«
    »Lass mich los.« Toni wand sich nach Leibeskräften, bemüht, dem harten Griff zu entkommen. »Ich schreie!«
    »Dann schrei doch! Schrei, so lange du willst!« Hofmeister öffnete die Türe und stieß den Widerspenstigen hinein. »Hier, Monsignore. Hier ist der Taugenichts.«
    »Lass uns allein«, sagte Förner zu seiner Überraschung. »Anton und ich haben zu reden.«
    »Ich will ehrlich mit dir sein«, fuhr er fort, als der Sekretär verschwunden war. »Du hast mir sehr wehgetan, Anton. Warum hast du nicht in der Messe gesungen, wie ich dich gebeten hatte?«
    Er sah so mager und traurig aus, dass Toni das Herz schwer wurde. Was sollte er ihm sagen? Was er heute Morgen beobachtet hatte? Die Geschichte vom Felsenkeller und der Steinernen Frau erzählen? Oder lieber etwas über den Mann mit den schiefen Zähnen, der Lenchen hatte mitnehmen wollen? Aber da war noch immer der Teufel. Und der schwarze Prediger hatte zugelassen, dass er ihn gepackt und zu ihm hereingezerrt hatte.
    »Ich war krank«, sagte er schließlich und brachte damit all das schmerzhafte Durcheinander in seinem Kopf auf einen Punkt.
    »Wieso hast du mir nicht Bescheid gesagt?«, sagte Förner. »Dann hätte ich nicht vergeblich auf dich warten müssen.«
    »Ich konnte nicht. Ich dachte, ich muss sterben.«
    »Komm einmal näher, Anton. Ich will dir etwas zeigen.« Zu Tonis Überraschung klang der Weihbischof plötzlich sanfter.
    Förner führte ihn ans Fenster. Der Platz vor der Kirche war inzwischen dunkel und leer.
    »Mach die Augen auf«, sagte er. »Was siehst du da draußen?«
    »Nichts«, flüsterte Toni. »Es ist viel zu dunkel.«
    »Es ist viel zu dunkel«, wiederholte Förner triumphierend. »Das hast du sehr richtig gesagt! Denn heute ist die Nacht der Unholde, der höchste Hexensabbat. Jetzt versammeln sie sich auf ihren glühenden Besen, um dem Teufel zu huldigen. Jetzt wetzen sie ihre Messer, um unschuldige Kinder zu schlachten. Jetzt kochen sie ihre Tränklein, um uns alle zu vergiften …«
    Toni presste seine Hände auf die Ohren.
    Der Weihbischof löste Tonis Hände, zuerst die linke, dann die rechte. Und die behielt er fest in seiner Hand. Die Kälte seiner Haut strömte in Tonis Körper.
    »Du hast mich enttäuscht, Anton«, sagte er. »Sehr enttäuscht sogar. Aber ich will dir

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