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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Deswegen haben wir genauer nachgesehen. So war es doch, Barbel, oder etwa nicht?«
    Die Magd nickte so heftig, dass ihr ganzer Körper in Bewegung geriet. Der kleine Harlan erwachte und begann zu greinen.
    »Wir haben es ausgegraben.« Agnes zog das Sackleinen beiseite. »Und hier ist es nun. In seiner ganzen Abscheulichkeit.«
    Alle starrten darauf.
    »Was ist das?«, flüsterte Toni.
    »Ein Drutentopf!« Die Pacherin klang triumphierend. »Das ist es doch, Exzellenz?«
    Harlan brüllte, bis er rot anlief.
    »Das Kind«, sagte der Weihbischof irritiert, »wieso hast du das Kind mitgebracht? Es soll sofort aufhören!«
    »Das Kind? Das will ich Euch sagen! Weil sie ihn bereits verhext hat.« Sie entriss der Magd den Kleinen und hielt ihn Förner entgegen. »Seht Ihr nicht die roten Flecken, die sie ihm beigebracht hat? Er weint und jammert, will nicht schlafen, nicht essen. Sie hat ihn krank gemacht und elend dazu, meinen süßen, meinen einzigen Sohn …«
    »Welche Sie?«, unterbrach Förner sie. »Von wem redest du?«
    »Die Otterfrau«, sagte Agnes. »Jenes verderbte Weibsbild, das allein am Fluss lebt, Liebeszauber verkauft und Mensch und Vieh verdirbt.«
    »Du lügst!«, schrie Toni, außer sich vor Angst und Entsetzen. »Ich kenne Ava. So etwas würde sie niemals tun!«
    »Wer ist denn Ava?« Förner fuhr zwischen den beiden Frauen und dem Jungen herum, während der Säugling weiterschrie.
    »Ava, das ist meines Wissens ihr Name«, sagte Agnes. »Wie sie weiter heißt, weiß ich nicht. Otterfrau wird sie deshalb genannt, weil sie ein zahmes Ungeheuer mit sich leben lässt. Manche sagen, sie nimmt ihn sogar mit ins Bett. Und natürlich hat sie es getan. Sie hat es mir sogar vorher angedroht!«
    Toni kam langsam auf sie zu, sein Gesicht eine weiße, angestrengte Maske, der Mund nur noch ein Strich.
    »Du lügst«, sagte er. »Nicht Ava hat dieses Ding vergraben. Du selber warst es!«
    »Ich? Du bist ja verrückt!« Mit einer flehenden Geste wandte sie sich an Förner. »Glaubt ihm kein Wort, Eminenz. Er sündigt und er lügt, wenn er nur den Mund aufmacht.«
    »Ich sündige nicht«, sagte Toni. »Aus meinem Mund kommt die Wahrheit.« Es grauste ihm, aber er überwand sich und griff nach Förners knochiger Hand. »Ich hab sie gesehen«, sagte er. »Mit meinen eigenen Augen. Sie hat im Morgengrauen heimlich dieses Ding vergraben – sie und nicht Ava. Ihr kennt mich. Ihr wisst, dass ich nicht lüge!«
    Förner machte sich los, aber er tat es sehr sanft.
    »Ganz ruhig, Anton«, sagte er. »Die Wahrheit ist bei mir in allerbesten Händen. Das weißt du doch. Aber vergiss niemals, dass Gott dich sieht – bei allem, was du tust.« Er räusperte sich. »Wir werden noch einmal ganz von vorn beginnen und diese Frau hier einer sehr gründlichen Befragung unterziehen, darauf kannst du dich verlassen …«
    Sie wurden erneut unterbrochen, dieses Mal von den eintretenden Hexenkommissaren, Dr. Vasoldt, der den Vorsitz führte, Schramm, der als Protokollister diente, und dem Kastner Müller, für niedrigere Tätigkeiten zuständig. Alle drei machten ein ernstes Gesicht.
    »Monsignore!«, rief Vasoldt. »Gut, dass wir Euch hier antreffen! Entsetzliches muss sich vergangene Nacht in Bamberg ereignet haben.«
    »Wovon redet Ihr?«
    »Die Leiche eines kleinen Mädchens. In einem aufgelassenen Felsenkeller. Zum Glück hat man uns rasch informiert. Wir kommen gerade von dort.«
    »Dann verständigt die Büttel, falls es noch nicht geschehen ist. Aber ich verstehe nicht … was hattet Ihr dort zu schaffen?«
    »Das will ich Euch verraten. Niemand weiß, wie die Kleine in den verschlossenen Keller gekommen ist. Sie trägt einen kostbaren Rosenkranz aus Korallen, viel zu kostbar für ihre zerlumpte Kleidung. Mit einem zerbrochenen Kruzifix – muss ich noch deutlicher werden? Überdies hat sie ein auffallendes Mal am Hals: braune Teufelshörner! Was sagt Ihr jetzt?«
    »Lenchen«, flüsterte Toni. »Lenchen!«
    Der Weihbischof fuhr sich mit der Hand an den Hals, als sei ihm der steife Kragen auf einmal unerträglich. Für einen Augenblick sah es aus, als würde er zu Boden stürzen, dann aber fasste er sich.
    »Vielleicht ist daran auch die Otterfrau schuld«, sagte Agnes mit plötzlich ängstlicher Miene. »Ich kann mir sehr gut vorstellen, …«
    »Schweig!«, schrie Förner. »Verschon mich mit deinem Geschwätz! Du wirst später vernommen werden.«
    »Der Felsenkeller gehört dem Ratsherrn Haller«, sagte Vasoldt. »Aber

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