Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
nicht er hat uns gerufen, sondern einer seiner Braugesellen, ein gewisser Schneider. Dieser Schneider scheint sehr viel über Druten zu wissen. Jedenfalls hat er ausgesagt, dass ihm schon seit einiger Zeit merkwürdige Dinge aufgefallen seien. Außerdem behauptet er, die Enkelin Hallers am Morgen vor dem Eingang gesehen zu haben. Selina Sternen.«
    »Die Tochter des Krippenschnitzers?«, rief Agnes dazwischen. »Die kenne ich. Flüchtig, natürlich nur sehr flüchtig. Aber dass sie nicht ganz richtig im Kopf ist, weiß jeder!«
    »Die Taube!« Toni wurde vor Aufregung ganz laut. »Ja, sie wohnt in der Langen Gasse. Sie hat Lenchens Häubchen im Felsenkeller gesucht. Seitdem ist die Kleine verschwunden …«
    »Ein rotes Häubchen?« Vasoldt schien erfreut. »Das ist korrekt. Wir haben tatsächlich solch eine Kopfbedeckung gefunden. In einem der Nebenstollen. Der Kastner hat alles durchsucht.«
    »Anton.« Mit großer Anstrengung bückte sich der Weihbischof zu ihm hinunter. »Du wirst jetzt alles, was du weißt oder gesehen hast, den Herren Hexenkommissaren berichten, versprichst du mir das? Ohne etwas dazuzufügen, aber auch, ohne etwas wegzulassen!«
    Toni nickte.
    »Und sie ist wirklich tot?«, sagte er leise.
    »Ja«, sagte Vasoldt. »Mausetot. Ein Karren bringt sie gerade hierher. Der Fürstbischof ist bereits informiert. Er hat uns angewiesen, sie eingehend zu untersuchen.«
    Förner richtete sich wieder auf.
    »Aber zuvor will ich sie sehen«, sagte er. »Allein.«

    Fuchs von Dornheim ließ sich den größten Silberpokal mit Portwein voll schenken und eine Platte mit geräuchertem Wildschweinschinken bringen. Dazu genoss er Weißbrot, getrocknete Feigen und Aprikosen. Obwohl es noch nicht dunkel war, brannten in allen Kandelabern bereits verschwenderisch die Kerzen. Vor ihm lag ein dickes, schweinsledern gebundenes Buch, daneben eine Landkarte, auf der er einige strategisch wichtige Punkte mit bunten Fähnchen markiert hatte. Seine Miene verriet, wie sehr er sich durch Damian Kellers Erscheinen gestört fühlte.
    »Sag es schnell, wenn es denn unbedingt sein muss – und dann mach, dass du wieder verschwindest! Ich habe mich kaum von Vasoldts Bericht erholt. Außerdem ist heute mein erster schmerzfreier Tag. Ich bin gerade dabei, ihn feierlich zu begehen.«
    »Ich dachte, das hier könnte Euch vielleicht interessieren!« Der Astrologe legte seine Zeichnung auf den Tisch.
    »Schon wieder lauter Zeichen und Kringel? Ich kann den ganzen Hokuspokus nicht mehr sehen!« Der Fürstbischof wischte die Zeichnung ungeduldig vom Tisch. »Das hier, Keller, ist ungleich wichtiger: katholische Stützpunkte inmitten des protestantischen Feindeslandes. Siehst du, wie wir vom Bösen umtost sind? Wir dürfen uns keine Fehler erlauben. Gäbe es nicht Bamberg und Würzburg als rettende Inseln – unsere Seelen würden alsbald jämmerlich im evangelischen Meer ersaufen!«
    »Dann ist dieses Stundenhoroskop Euer wichtigster Verbündeter.« Keller hatte das Blatt aufgehoben, strich es glatt und legte es ihm noch einmal vor. Seine schlanken Finger klopften auf eine bestimme Stelle. »Friedrich Förner«, sagte er. »Schaut nur, Exzellenz! Jetzt steht alsbald sein Dachstuhl in Flammen.«
    »Was soll das heißen?« Fuchs von Dornheim nahm einen genießerischen Schluck.
    »Skorpion am Aszendent, dazu dessen Zeichenherrscher Mars im Zwölften Haus – das Haus der heimlichen Feinde plus ein starker Spannungsaspekt auf die Sonne …«
    »Konkreter, Keller, konkreter!«
    »Natürlich, Exzellenz, ganz, wie Ihr wünscht! Ich will es so konkret ausdrücken wie nur irgend möglich: Der unheimliche Skorpion erhebt sich im Osten. Mars regiert die Stunde. Unmittelbar neben dem Mond steht er im Haus der heimlichen Feinde und schaut böse auf die Sonne.« Kellers Stimme schraubte sich höher. »Verrat liegt in der Luft. Ein furchtbarer Verdacht könnte auf den Hexenbrenner Förner fallen.«
    Jetzt wirkte der Fürstbischof interessiert.
    »Ein furchtbarer Verdacht, sagst du?«
    Keller nickte.
    »Und es geht wirklich um Förner? Kein Irrtum möglich?«
    Wiederum Nicken, wenngleich verhaltener.
    »Das klingt in der Tat nicht uninteressant! Und wann, Keller? Wann genau?«
    »Bald schon, Exzellenz. Sehr bald sogar.«
    Fuchs von Dornheim legte die Stirn in Falten.
    »Ich warte – aber gewiss nicht mehr lange! Also?«
    »Sobald die Glocke sechsmal schlägt, um ganz exakt zu sein«, sagte Damian Keller mit einem tiefen Seufzer.

    Sie hatte sie

Weitere Kostenlose Bücher