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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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nachgewachsen sei.«
    »Dieser verrückte Kerl! Seit Schneider die Kinderleiche im Felsenkeller gefunden hat, ist gar nichts Rechtes mehr mit ihm anzufangen. Anstatt zu arbeiten, stolziert er lieber umher und erzählt wilde Geschichten über Teufel und Druten. Mein Fehler  – ich hätte ihn längst rauswerfen sollen.«
    »Aber nicht jetzt. Du musst vorsichtig sein«, sagte Haag. Er lockerte seine Halskrause, als fühle er sich plötzlich beengt. »Du könntest ihn als Zeugen brauchen. Und dann wäre es sicherlich ungünstig, ihn gegen dich aufzubringen.«
    Pankraz Haller stellte sich direkt vor seinen Freund.
    »Du glaubst diesen Unsinn doch nicht etwa, den er verzapft?« , sagte er. »Korn reift am Halm und sonst nirgendwo, da helfen auch alle Teufel der Hölle zusammen nichts! Das weißt du, und ich weiß es auch. Kilian, was ist los mit dir? Ich erkenn dich ja kaum wieder!«
    »Woher stammt deine Gerste, Pankraz? Darauf wirst du eine gute Antwort brauchen, und zwar schon bald. Schneider hat dich offiziell hingehängt. Der Stadtkämmerer ist neugierig geworden. Ihm musst du Rede und Antwort stehen, nicht mir!«
    »Wir beide haben uns verbündet, um Menschenleben zu retten – und du gehst mich an wegen ein paar Fuder Gerste?«
    »Die Menschen in Bamberg hungern und frieren, Pankraz. Und Menschen, denen das widerfährt, sind immer ganz besonders wachsam. Es geht nicht an, dass ein paar Reiche sich ihre eigenen Gesetze zimmern. Auch nicht, wenn sie zu meinen engsten Freunden gehören.«
    »Die Regeln bestimmst also du? Bezahlte Spitzel zum Beispiel. Du weißt, was ich davon halte.«
    Kilian Haag erhob sich steif.
    »War das alles für heute, Kilian?«, sagte Pankraz Haller. »Oder hast du vielleicht noch mehr in dieser Richtung zu bieten?«
    »Apollonia Krieger war bei mir. Um ihre Belohnung einzufordern.«
    »Für ein altes Gebetbuch?«
    »Sie behauptet, es habe ein Brief darin gelegen. Jedenfalls irgendetwas Geschriebenes.« Haags Stimme wurde höher. »Du hast nicht zufällig dieses Etwas herausgenommen und einbehalten, Pankraz?«
    »Nein. Und ich wundere mich sehr, dass du mich danach fragst.«
    »Auch nicht, um etwas in der Hand zu haben, falls du in Verdacht geraten solltest? Du musstest doch wissen, dass das mit der Gerste früher oder später auffallen würde.«
    »Das hältst du für möglich, Kilian?«
    »Ich hab mir nur laut Gedanken gemacht, Pankraz. Menschen sind zu vielem fähig, wenn sie unter Druck geraten.«
    »Dann mach sie dir bitte künftig anderswo.« Hallers Gesicht war sehr ernst. »Und komm erst zurück, wenn dein Kopf wieder klar geworden ist.«

    Beim Bücken spürte Ava, dass ihr Bauch stetig wuchs. Außerdem musste sie langsamer hochkommen, damit ihr nicht schwindelig wurde. Sie nahm die Forellen aus dem Ofen, und als sie dahinter die kurze Reihe Äschen entdeckte, musste sie an Veit denken.
    Wie zwiespältig ihre Gefühle für ihn waren! Manchmal war er ihr gleichgültig, dann wieder erinnerte sie sich an seine Stimme, seinen Atem, seine warme Haut und empfand nichts als Sehnsucht. Vielleicht hatte er ihr ein Andenken hinterlassen, das sie ein Leben lang an ihn erinnern würde. Es gab Nächte, da war sie sich beinahe sicher. Und wenn dann der Morgen kam, wünschte sie sich von ganzem Herzen, es sei Mathis’ Kind.
    Reka strich erwartungsvoll um ihre Beine; es gab nichts, was ihn so schnell herbeilocken konnte wie der Geruch frisch geräucherter Fische. Sie gab ihm ein Stück von dem kleinsten, das er augenblicklich verschlang, und kostete selber. Genussvoll verzog sie den Mund. Ihr Experiment, die Buchenscheite gegen Erlenholz auszutauschen, hatte sich gelohnt. Das Aroma war milder, die Haut appetitlich goldbraun. Leider gab es nur wenige Erlen hier in der Nähe. Sie beschloss, den Holzhändler Pacher aufzusuchen, bei dem sie schon früher verschiedentlich günstige Reste erstanden hatte.
    Den großen Korb gegen die Hüfte gestemmt, ging sie zum Haus zurück. Als sie die Stube betrat, sah sie eine Besucherin am Tisch sitzen.
    »Mir war zu kalt, um dir nachzukommen.« Hanna Hümlin rieb sich die Hände. »Wie geht es euch beiden?«
    »Gut«, sagte Ava. »Inzwischen glaube ich sogar, dass es wirklich wahr ist.«
    »Es hat sich bewegt?«
    Ava nickte. »Willst du heißen Hollersaft?«
    Sie schenkte zwei Becher voll.
    »Du hast noch mehr Kinder bekommen«, sagte Hanna. »Sie sind auf dem Weg hierher an mir vorbeigelaufen.«
    »Ja«, sagte Ava. »Und eines von ihnen schon wieder verloren.

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