Die Hüterin der Quelle
Fürstbischof auf meiner Seite weiß.«
»Mach dir über Fuchs von Dornheim keine Illusionen, mein Freund«, sagte Grün. »Der weiß sich geschickt nach dem jeweils günstigsten Lüftlein zu richten. Im Augenblick kommt es ihm gelegen, dass du seinen Weihbischof im Zaume hältst. Aber sobald der Wind aus einer anderen Richtung weht, kann es schnell anders aussehen.«
Sie saßen in einem der Hörsäle des Collegiums, wo Grün einstmals Adam zusammen mit anderen Schülern unterrichtet hatte, und die karge Schlichtheit des Raums weckte jede Menge Erinnerungen in beiden.
»Da vorn hab ich immer gesessen«, sagte Adam. »Und hab viele dumme Fragen gestellt.«
»Fragen sind niemals dumm«, sagte Josef Grün. »Das können nur Antworten sein.« Er legte seine leichte, trockene Hand auf Adams. »Du bist doch vorsichtig, Adam?«, sagte er. »Du würdest doch keine Dummheiten machen, in dieser angespannten Situation?«
»Was willst du damit sagen?«
»Nun, mir sind da gewisse Dinge zu Ohren gekommen, Dinge, die du heimlich treiben sollst …«
Adams Miene verriet seine Betroffenheit. Ein heißes Gefühl durchflutete ihn. Sie waren so vorsichtig gewesen! Schlief diese Stadt denn niemals?
»Ich will ganz offen reden. Es geht um das Traktat, an dem du arbeitest. Glaubst du, jetzt ist tatsächlich der richtige Zeitpunkt dafür?«
»Wie hast du davon erfahren?«, sagte Adam und konnte sich trotz allem nicht gegen ein Gefühl der Erleichterung wehren.
»Unwichtig, Adam. Schlimm genug, dass ich es habe. Du willst dem Hexenwahn also mit deiner Schrift ein Ende bereiten?«
»Ob ich das kann, wird sich noch zeigen. Ich möchte zumindest logisch darlegen, dass es sie gar nicht geben kann .« Adams Wangen begannen sich zu röten. »Ich hab viele der alten Schriften studiert. In früheren Jahrhunderten waren die Philosophen und Theologen übrigens schon mal klüger als wir. Erst seit dem Erscheinen des Hexenhammers …«
»Dann leugnest du also auch die Existenz des Teufels?« Josef Grün war aufgestanden. »Und damit die Existenz Gottes?«
»Kann man von Gott mehr wissen, als dass er existiert?«, entgegnete Adam. »Seine Schöpfung ist so groß, dass sie alles enthält – Teufel und Engel. Und was das Böse betrifft: Sehen wir Menschen es nicht in vieles hinein, weil wir es brauchen, weil wir das Gute sonst vielleicht nicht ertragen könnten?«
Er griff in die Tasche, zog den Korallenrosenkranz heraus.
»Was siehst du da?«, fragte er.
Grün wurde noch blasser. »Woher hast du den?«, sagte er mit brüchiger Stimme.
»Später. Was siehst du?«
»Einen roten Rosenkranz mit einem zerbrochenen Kreuz. Kostbare Korallen. Woher hast du ihn, Adam?«
»Drutenwerk für die einen«, sagte Adam. »Für mich aber das Symbol, wie schwach und fehlbar wir Menschen sind. Eigentlich nicht wert, dass Jesus für uns gestorben ist – und dennoch hat er dieses unfassbare Opfer für uns vollbracht. Liebe hat ihn geleitet, reine Liebe. Deswegen hab ich ihn behalten. Um mich daran stets zu erinnern.«
»Er gehört Förner«, krächzte Grün. »Ich weiß es genau.«
»Förner? Du musst dich irren, Josef. Man hat ihn bei dem toten Kind im Felsenkeller gefunden.«
»Das ist Förners Rosenkranz«, beharrte der alte Jesuit. »Ich hab ihn viele Male bei ihm gesehen. Ein derart auffälliges Stück! Ich irre mich nicht.«
Adam war sehr nachdenklich geworden.
»Das tote Mädchen trug ihn um den Hals«, sagte er. »Freiwillig hätte Förner ihn ihr bestimmt nicht gelassen. Aber wie kann sie daran gekommen sein? Gibt es eine Verbindung zwischen den beiden, von der wir nichts wissen?«
»Er hat ihn dem Kind nicht abgenommen?«, fragte Grün. »Das kommt mir erstaunlich vor. Ich hatte stets den Eindruck, dass ihm besonders viel an diesem Rosenkranz liegt.«
»Nein. Förner hat kein Wort darüber verloren, dass er einmal ihm gehört hat.«
»Dann muss er gute Gründe dafür haben, Adam.« Schmal und ernst stand der alte Jesuit vor ihm. »Sehr gute Gründe! Und du musst noch vorsichtiger sein, Adam. Hör vor allem damit auf, dein Glück im Unmöglichen suchen!«
Die heiße Welle, die Adam zuvor schon durchflutet hatte, kehrte zurück. Simon, dachte er. Aber wer hatte Josef Grün informiert?
»Du wirst es nicht finden außerhalb der engen Grenzen, die die Pflicht uns setzt«, fuhr Grün fort. »Versuche vielmehr, dein Leben in Mäßigkeit zu meistern, und sei demütig genug, Mittelmaß hinzunehmen, anstatt dich dagegen aufzulehnen.«
Adam
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