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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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ertragen.«
    »Wieso sagst du das, Simon? Es klingt schrecklich aus deinem Mund.«
    »Weil es die Wahrheit ist.«
    »Ich mag deine Wahrheit nicht. Welche Wahrheit überhaupt? Du bist so anders, seit du aus Italien zurück bist. Was ist dort geschehen, Junge?«
    »Bin ich das?« Simon lachte. »Du hast Recht, Vater, aber ich bin deinetwegen über die Alpen geritten, vergiss das nicht. Um deinen Kopf zu retten. Und hast du nicht bekommen, wonach du verlangt hast?«
    Veit trat näher, berührte seinen Arm.
    »Aber nicht meinen Sohn«, sagte er. »Nicht den Simon, den ich gekannt habe.«
    Der junge Mann löste die großen Flügelschrauben und trug die Figur nach nebenan.
    »Hast du den wirklich gekannt, Vater?«, sagte er im Vorbeigehen, jetzt im Wams, die pelzgefütterte Jacke schon halb über der Schulter.
    »Du willst noch weg?« Veit schaute Simon hinterher, der bereits die Haustür geöffnet hatte. Ein eiskalter Wind fegte in den Flur. »Aber wohin denn in Gottes Namen, mitten in der Nacht?«
    »Die Nächte gehören mir!«, warf Simon über die Schulter zurück, bevor er die Tür behutsam ins Schloss zog.
    Veit starrte noch fassungslos vor sich hin, als eine Bewegung ihn zusammenfahren ließ.
    »Marie! Wieso schläfst du nicht?«
    »Wie könnte ich?« Ihre Stimme, dunkler als sonst und ungewohnt heiser, versetzte ihm einen Stich. »Selina liegt wie Häuflein Elend in ihrem Bett. Ich werd ihr eine heiße Honigmilch machen, damit sie wenigstens ein paar Stunden schläft.« Sie zog das Tuch enger um ihre Schultern. »Er ist fort?«, sagte sie.
    »Ja. Und frag mich bloß nicht, wohin.«
    »Ich frag ja gar nicht«, sagte Marie und ging in die Küche.

    »Du hast dir so viel davon versprochen, diesen Thies nach Bamberg zurückzuholen!« Mit großen, zornigen Schritten ging Pankraz Haller in der Gaststätte auf und ab. Es war früh am Vormittag, Boden und Bänke bereits geschrubbt, aber es würde noch eine ganze Weile dauern, bis sich die ersten Gäste einfanden. »Du weißt, ich war von Anfang an skeptisch! Und alles, was jetzt geschieht, beweist mir, wie richtig meine Einschätzung war!«
    »Immerhin haben sie bei uns noch keine Scheiterhaufen errichtet. Ist das nichts?«
    »Ach, das hätten wir auch ohne ihn verhindert! Jetzt ist Marie ganz durcheinander, und Selina schleppen sie wie eine Verbrecherin auf den Domberg! Wenn Thies auf unserer Seite steht, wie du behauptest, wieso bereitet er diesem Treiben dann kein Ende?«
    »Was soll er tun? In deinem Bierkeller ist ein totes Kind gefunden worden! Selina könnte bereits im Loch sitzen oder am Galgen baumeln. Und dir könnte man auch unangenehm auf den Pelz rücken. Sei froh, dass Thies seine Hände mit im Spiel hat!«
    »Selina würde niemals ein anderes Kind töten, dazu kenne ich sie viel zu gut. Und diesen Unsinn mit der Hexerei kann ich nicht mehr hören! Sie ist schlau, sie hat den Schlüssel stibitzt und die anderen Kinder in den Keller gebracht. Na und? Sie haben ein Fass angezapft und Bier getrunken – gute Güte, das sind doch nur übermütige Kinderstreiche!«
    Er schenkte zwei bauchige Pokale voll. Ihm war dringend nach anderem Gesprächsstoff zumute.
    »Du musst unbedingt meinen Bock probieren, Kilian«, sagte er. »So süffig war er noch nie.«
    »Und so stark«, sagte der Kanzler nach dem ersten Schluck.
    »Das will ich meinen! Die Stammwürze ist nicht von schlechten Eltern. Dazu fein gehopft. Besonders stolz bin ich auf das schöne Raucharoma und die leichte Bitterkeit am Schluss. Das ist ein edles Weihnachtströpfchen – oder etwa nicht?«
    »Wie viel hast du gebraut?«
    »Es wird reichen, denke ich.« Pankraz lächelte. »Obwohl die Gäste gar nicht genug davon bekommen können. Wahrscheinlich ist er doch wieder eher aus, als mir lieb ist.«
    Kilian Haag trank wieder. Als er seinen Becher absetzte, räusperte er sich.
    »Manche wundern sich ohnehin, woher du die Gerste dafür hast«, sagte er. »Wo doch überall in der Gegend die Ernte so verheerend ausgefallen ist.«
    »Ein guter Brauer kann eben Wasser in Bier verwandeln.« Pankraz hatte seine unstete Wanderung wieder aufgenommen. »So ähnlich wie Jesus bei der Hochzeit zu Kanaan. Soll ich den Fürstbischof vielleicht verdursten lassen? Lass die Leute reden! Solange sie reden, können sie wenigstens nichts Böses tun.«
    »Georg Schneider behauptet, dein Vorrat sei unerschöpflich. So viel Gerste du auch vermälzt, so viel sei am nächsten Morgen wieder da. Als ob das Korn über Nacht

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