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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Domberg gebeten, nicht in sein komfortabler eingerichtetes Schloss Geyerswörth, am Rande des Mühlenviertels gelegen. Sicherlich nicht ohne Grund. Alles, was Fuchs von Dornheim tat, war wohl überlegt.
    »Denn hätte Gott nicht gewollt, dass wir den Leib ehren, hätte er uns ohne ihn erschaffen. Dann wäre sein Sohn auch niemals Mensch geworden. Außerdem«, sein Blick heftete sich durchdringend auf die abgeschabte Soutane seines Gegenübers, »verpflichtet ein Amt zur Sorgfalt. Wir verkörpern die heilige Mutter Kirche. Auch in unserer Erscheinung. Feinden, die nur auf Schwächen warten, sollten wir es nicht zu einfach machen.«
    Er wandte sich Veit Sternen zu.
    »Aber kann er das auch umsetzen?«, fragte er, als sei Simon gar nicht mehr im Raum. »Ich meine, ist der filius überhaupt in der Lage dazu?«
    »Mein Sohn arbeitet in meiner Werkstatt.« Veit antwortete vorsichtig, weil er noch nicht genau wusste, worauf die Unterhaltung hinauslief. »Ich war sein Lehrmeister. Ich kenne seine Fähigkeiten. Dass er fleißig und geschickt ist, weiß ich. Und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass Simons Zeichentalent meines noch übertrifft.«
    »Dann haben wir sicherlich alsbald Gelegenheit, uns von diesem Können auch in natura zu überzeugen, nicht wahr?« Wenn der Fürstbischof die Augen schloss, erinnerte er an eine schläfrige Kröte.
    »Wie meint Ihr das, Exzellenz?«
    Erstaunlich behände war Fuchs von Dornheim zu Simon herumgefahren. Der wäre am liebsten zurückgewichen vor der halslosen Gestalt, aber er nahm sich zusammen.
    »Deine Handschrift will ich sehen, mein Sohn«, sagte er. »Und zwar in den Figuren. Die Menschwerdung des göttlichen Kindes – ist das nicht eine treffliche Gelegenheit für ein junges Talent?«
    Er wandte sich ab, nahm einen Schluck aus seinem Silberbecher.
    »Wir müssen schon heute an morgen denken.« Das war wieder an Veit gerichtet. »Und erst recht an übermorgen. Keiner von uns ist unsterblich. Unsere Mission aber soll es sein. Wer anders als die Jungen könnte der Bogen sein für diesen Pfeil, der weit in die Zukunft zielt? Die Juden nennen sie das ›Salz der Erde‹, wusstet Ihr das? Und wenn die Söhne Israels auch in vielem irren, in diesem Punkt haben sie Recht.«
    Förner, der neben dem feisten Fürstbischof noch magerer wirkte, blieb stumm, obwohl ihm anzusehen war, dass er ganz und gar nicht einverstanden war.
    »Mein Bruder in Christo und ich haben uns für das Privileg des Zölibats entschieden und damit auf das Glück einer eigenen Nachkommenschaft verzichtet. Umso mehr erfreuen wir uns an den Gaben der Jungen.« Der Fürstbischof nestelte an seinem Kragen. Es war warm geworden im Audienzsaal. Die Frühlingssonne warf Kringel auf die dunklen Eichenbohlen. Staub tanzte in der Luft. Auf einmal roch man die Muffigkeit des Raumes. »Also, lasst uns nicht zu lange warten!«
    Von Dornheim meinte, was er gesagt hatte, und diese Gewissheit stimmte Veit Sternen nicht gerade fröhlicher, obwohl schon Tage seit diesem Zusammentreffen verstrichen waren. Sein Kopf brummte, als er sich wieder daran erinnerte. Sein Körper glühte. Er durfte nicht krank werden, nicht jetzt, wo alles in Bewegung kam und ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung zu gehen schien.
    Er streckte sich, wollte das Unbehagen aus den Gliedern vertreiben und stieß versehentlich gegen die Hobelbank. Das Schnitzeisen entglitt ihm und fiel zu Boden.
    Er stieß einen leisen Fluch aus.
    »Vater – was ist mit dir?«
    »Nichts«, sagte Veit. Tränen schossen in seine Augen. Es war, als seien die Arme doppelt so dick wie sonst, gefüllt mit glühender Lava, die Hände versteift. Er wollte sich bücken, um das Werkzeug aufzuheben, aber die Finger versagten ihm den Dienst.
    Simon tat es an seiner Stelle. Dann spürte er dessen kühle Berührung auf seiner Stirn.
    »Du bist ja ganz heiß«, sagte er. »Du gehörst ins Bett.«
    »Zeig mir lieber deine Blätter!«, verlangte Veit. Er war ihm dankbar, dass er die nassen Augen nicht erwähnte. »Ich will endlich sehen, was du seit Tagen ausbrütest.«
    »Ich bin noch nicht so weit …«
    »Die Zeichnungen, Simon!«
    Er bekam sie gereicht, sichtlich unwillig.
    »Das sollen Hirten sein?«, sagte er schließlich.
    »Nein«, sagte Simon. »Von denen gibt es auch ein paar Skizzen. Aber ich konnte plötzlich nicht mehr weitermachen. Nicht so. Denn mir kam in den Sinn, dass ich ja mit den Königen beginnen muss. Schließlich haben sie als Erste den Stern gesehen.«
    Die Köpfe

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