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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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wieder nach oben.
    »Du kennst meine Agnes?«, sagte er. »Du musst sie kennen, um so zu reden. Sie hat so viel Kraft, so viel Feuer – sie jetzt so erbärmlich zu wissen bricht mir das Herz!«
    »Flüchtig.« Was würde es nützen, wenn sie ihm mehr offenbarte?
    »Agnes ist alles, was ich habe.« Harlan Pacher begann zu weinen. »Wenn ich sie verliere …«
    »Nimm deinen Mut zusammen, und tröste deine Kinder«, sagte Ava. »Sie brauchen dich jetzt, mehr denn je. Das ist das Beste, was du tun kannst. Hier!«
    Sie sah, wie er mit sich kämpfte. Dann zog er ein Leinentuch heraus, wischte sich über das Gesicht. Seine Hände streckten sich nach dem Kind aus. Der kleine Harlan begann wie ein Kätzchen zu maunzen, als er die raue Wange seines Vaters spürte, wurde dann aber schnell still.
    »Er erkennt dich«, sagte Ava. »Du tust ihm gut. Nimm ihn nachts mit in dein Bett, dann wird er auch aufhören, nach der Mutter zu weinen. Ihr könnt ihm die Pusteln mit seinem ersten Morgenurin betupfen, das wirkt manchmal wahre Wunder. Und wenn sie trotzdem nicht besser werden, dann schick eines deiner Mädchen zu mir. Vielleicht kann meine Kamillensalbe helfen.«
    »Ich will es versuchen«, sagte er. »Jackl soll dir eine ordentliche Lieferung Erlenscheite bringen. Man findet dich doch noch immer im Haus am Fluss? Dort, wo der große Räucherofen steht?«
    »Ja«, sagte Ava. »Das ist jetzt mein Zuhause.«

    Als die Büttel kamen, waren Marie und die Göhlerin mitten in den Backvorbereitungen. Sie hatten getrocknete Früchte in Streifen geschnitten, Rosinen und Gewürze dazugegeben. Jetzt verrührten sie Butter, Zucker und Vanillemark, um sie als letzte Zutaten unter Mehl und Hirschhornsalz zu geben. Sogar Selina drückte sich ausnahmsweise in der Küche herum, weil sie Früchtebrot liebte und den ganzen Teig am liebsten schon roh vernascht hätte. Sie wurde weiß, als sie die schwer bewaffneten Männer sah, klammerte sich an den Tisch.
    »Was wollt ihr schon wieder hier?« Unwillkürlich stellte sich Marie schützend vor das Mädchen. »In ein paar Tagen feiern wir das Fest der Geburt Jesu. Gibt es in eurem schauerlichen Amt denn keinen Weihnachtsfrieden?«
    »Wo ist dein Mann?«, fragte der Büttel, der einen der gefährlichen Morgensterne am Gürtel baumeln hatte. »Veit Sternen, der Schnitzer, wo steckt er?«
    »Was wollt ihr von ihm?« Um sie herum wurde es schwarz. Schwer und schwarz.
    »Wo ist er?«, wiederholte er ungerührt.
    »Wir haben ihn schon, Prosper«, hörte sie einen anderen rufen. »In der Werkstatt hatte er sich versteckt. Und wollte flugs zur Tür hinaus wie ein munteres Vögelchen. Aber daraus ist nun nichts mehr geworden.«
    Sie stießen Veit vorwärts; er wehrte sich heftig, aber gegen vier Gegner mit Schwert und Messer kam er nicht an. Grob banden sie ihm die Hände auf den Rücken.
    Seine Augen suchten Maries.
    »Mach dir keine Sorgen, Füchslein«, sagte er wenig überzeugend. »Alles wird sich aufklären. Ich bin eher zurück, als du denkst!«
    Die Büttel brachen in wüstes Gelächter aus. Selina starrte sie an, als kämen sie direkt aus der Hölle.
    »Was wollt ihr von ihm?«, sagte Marie mit dünner Stimme. Wieso war ausgerechnet jetzt Simon nicht da? Warum gab es keinen, der ihr hätte helfen können? »Wohin schleppt ihr ihn?«
    »Ins Loch«, sagte einer der Männer. »Da wartet schon ein anderes Vögelchen, das munter gepfiffen hat.« Er wandte sich an Marie. »Hast du Geld?«, sagte er. »Sonst wird er leider hungern und frieren müssen.«
    Sie rannte hinaus, schloss mit fliegenden Händen die Truhe auf, kam mit einem Beutel zurück.
    »Hier«, sagte sie, »das müsste reichen …«
    Wieder das raue Gelächter der Büttel.
    »Treib rasch mehr auf«, sagte der mit dem Morgenstern. »Du glaubst ja gar nicht, wie kostspielig das Leben dort unten sein kann!« Er versetzte Veit einen weiteren Stoß. »Und jetzt los mit dir! Der Weihbischof wartet nicht gern.«
    Sie machten sich nicht die Mühe, die Türe zu schließen. Eisig fegte der Wind ins Haus. Selina schien aus ihrer Erstarrung zu erwachen und wollte ihnen nach, aber Marie hielt sie fest, während Theres Göhler energisch die Haustür zuzog.
    »Du kannst ihm jetzt nicht helfen.« Das Reden kostete Marie große Kraft. »Wir müssen versuchen, Ruhe zu bewahren, Selina. Und genau überlegen, was wir als Nächstes tun werden.«
    Sie sank auf einen Stuhl, starrte ins Leere.
    »Du musst sofort zum Braumeister«, sagte die Göhlerin. »Dein Vater

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