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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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warte draußen«, sagte sie.

    »Ich weiß noch immer nicht, ob wir wirklich das Richtige tun!« Simon sprang vom Wagen, auf den Pankraz Haller die Krippe geladen hatte.
    »Hast du eine bessere Idee?«, sagte der Braumeister.
    Simon schüttelte den Kopf.
    »Dann lad endlich aus. Und mich lass vorgehen. Man wird dir zeigen, wo du alles aufbauen kannst.«
    »Ich gehe mit dir, Vater«, sagte Marie. »Warte!«
    Sie nestelte an ihrem Schultertuch, trug ihr bestes grünes Kleid, hatte die Haare streng aufgesteckt.
    »Nein, bleib du bei Simon«, sagte Haller. »Ich will zuerst mit dem Fürstbischof allein reden.«
    Damian Keller holte ihn unterwegs ab; der dicke Kapuziner, der ihnen das Tor geöffnet hatte, verschwand durch eine der vielen Seitentüren.
    »Ist Seine Exzellenz wohlauf?«, sagte Pankraz Haller.
    »Ganz und gar nicht. Er hatte einen weiteren schweren Gichtanfall und kann sich erst seit zwei Tagen wieder halbwegs bewegen. Ihr tut gut daran, kein Wort darüber zu verlieren.«
    Trotz dieser Vorwarnung erschrak Haller, als er das Zimmer betrat. Fuchs von Dornheim, in einem voluminösen Sessel mehr liegend als sitzend, wirkte gedunsen, als sei Wasser in all seine Glieder gekrochen. Ein Ausschlag bedeckte sein Gesicht und ließ die pockige, unreine Haut noch lepröser wirken als sonst.
    »Es liegt nicht an Eurem Bier.« Der Fürstbischof schien sein Zögern richtig gedeutet zu haben. Er winkte ihn näher heran. »Ihr könnt beruhigt sein. Das mundet mir nach wie vor. Zu gut sogar, sollte ich den Ansichten meiner Medici und dieses überbesorgten Sternendeuters Glauben schenken. Doch der alte Fuchs von Dornheim vertraut am liebsten sich selber.«
    Er senkte seine Stimme.
    »Ich kann zum Weihnachtsfest doch mit der neuen Lieferung rechnen? An einem solchen Festtag möchte ich ungern auf Euren Bock verzichten!«
    »Seid unbesorgt, Exzellenz.« Pankraz Haller verbeugte sich tief. »Mein letztes Hemd würde ich geben, um Eure Wünsche zu erfüllen. Aber deshalb bin ich nicht hier.«
    »Euer Hemd könnt Ihr behalten! Davon schimmeln mehr in meinen Truhen, als ich jemals auftragen könnte.« Er lächelte, dann sackten die Mundwinkel wieder nach unten. Eine ungelenke Bewegung folgte, die verriet, wie unwohl er sich fühlte. »Was wollt Ihr dann von mir, Braumeister?«
    In Pankraz’ Kehle wurde es eng, und sein Herz klopfte hart gegen die Rippen.
    Sag alles sofort , glaubte er Hannas Stimme zu hören. Gleich zu Anfang . Sonst bringst du es später vielleicht nicht mehr über die Lippen . Was hätte er jetzt darum gegeben, ihre weichen Arme zu spüren, ihre Brüste, ihre Wärme! Aber nur, wenn ihm gelang, was er sich vorgenommen hatte, konnte er auch sie schützen.
    Ein tiefer Atemzug. Dann ließ er sich vor dem Sessel des Fürstbischofs auf die Knie sinken.
    »Vergebt einem alten Sünder, Exzellenz«, bat er. »Ich habe gegen die Gebote verstoßen. Wenngleich aus lautersten Motiven. Aber schuldig geworden bin ich trotzdem. Nur Eure Absolution kann mich jetzt noch retten.«
    »Das klingt, als würdet Ihr mich um die Beichte bitten!«
    »Genau das tue ich, Exzellenz.«
    »Dann müssten wir uns in einen Beichtstuhl bemühen …«
    »Nicht nötig, Exzellenz. Ich bin bereit. Hier und jetzt.«
    »In diesem Fall möchte ich mich zurückziehen«, sagte Keller, der plötzlich sehr unbehaglich dreinschaute.
    »Nein, bleibt!«, bat Pankraz Haller. »Ich hab nichts zu verbergen.«
    »Hol meine violette Stola – und dann verschwinde!«, befahl der Fürstbischof. Der Astrologe erledigte das Aufgetragene blitzschnell. Die Türe schloss sich hinter ihm.
    »Erhebt Euch wenigstens«, sagte der Fürstbischof.
    »Ich möchte lieber knien bleiben, falls Ihr erlaubt!« Pankraz Haller schlug das Kreuzzeichen. »Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.«
    »Gott, der unser Herz erleuchtet, schenke dir wahre Erkenntnis deiner Sünden und seiner Barmherzigkeit«, erwiderte der Fürstbischof seufzend. »So sprich, mein Sohn!«
    »Ich habe gegen das dritte Gebot verstoßen. Denn ich habe am heiligen Sonntag heimlich Gerste geladen. Und gegen das siebte Gebot – in gewisser Weise.«
    »Was soll das heißen?«
    »Nun, direkt gestohlen habe ich nicht, aber ich habe keine Steuern bezahlt. Für eben diese Gerste, die ich heimlich geladen habe.«
    »Und wieso hast du das getan?«
    »Weil ich sonst kein Korn mehr gehabt hätte, um Euer Bier zu brauen, Exzellenz. Die Speicher waren leer, landauf, landab. Ich musste meine

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