Die Hüterin der Quelle
was mir heilig ist. Ich arbeite daran, lange schon. Ich bin dabei, ein ausführliches Traktat zu verfassen, das den Drutenglauben in dreierlei Hinsicht widerlegen wird: theologisch, philosophisch und moralisch. Eines Tages werden diese Argumente allgemein anerkannt sein. Und man wird endlich aufhören …«
»Bis dahin ist mein Vater tot«, unterbrach ihn Simon. »Was kannst du jetzt für ihn tun, Adam?«
»Ich kann dafür sorgen, dass sie die Befragung korrekt durchführen und sich an die vorgeschriebenen Schritte des Inquisitionsverfahrens halten. Aber das werden sie vermutlich ohnehin tun, schon weil sie wissen, dass ich sie beobachte.«
»Und wenn er gewisse Verfehlungen einräumt? Wenn er sich geständig zeigt – was dann? Die Pacherin war tatsächlich seine Buhlschaft«, sagte Simon. »Ich hatte die beiden schon eine ganze Weile im Verdacht. Wie sie um ihn herumgeschwänzelt ist! Wie sie jeden Vorwand gesucht hat, um in seine Nähe zu kommen. Er hat sich verführen lassen. Mein Vater ist nun mal kein Mann, der solch ein Angebot übersieht. Frauen sind sein Segen – aber auch sein Fluch. Er wird erst von ihnen lassen, wenn er einmal unter der Erde ist.«
»Aber es ist viel mehr als das, Simon. Agnes Pacher hat zu Protokoll gegeben, der Teufel selber habe sich ihr in Veits Gestalt genähert, sie zur Unzucht und zum Ehebruch verführt. Sogar geschwängert habe er sie, sie aber dann gezwungen, das Kind abzutreiben – das nächste Verbrechen! Danach habe er sie unzählige Male genötigt, zusammen mit ihm auf den Hexensabbat zu reiten, wo er sie …«
»Sei still!« Simon presste sich die Hände gegen die Ohren. »Ich will diesen Unsinn nicht mehr hören!«
»Du wirst es lernen müssen«, sagte eine Stimme von der Türe her. »Adam hat Recht. Das ist erst der Anfang, Simon. Es wird noch übler werden. Wir müssen uns beizeiten darauf einstellen.«
»Marie!« Er starrte sie fassungslos an. »Wieso bist du hier? Und woher wusstest du, dass ich …«
»Weil ich Augen im Kopf habe.« Adam sah, wie ihr Blick zu dem Ring an Simons Hand glitt, und war dankbar, dass sie nichts darüber sagte. »Außerdem ist Adam ein alter Freund. Der Einzige, der uns jetzt noch helfen kann.«
Adam Thies erhob sich, fahl im Gesicht.
»Ich fürchte, da überschätzt du meinen Einfluss, Marie. Ich hab es eben schon Simon gesagt. Das Verfahren ist eingeleitet, und damit sind meine Einflussmöglichkeiten minimal geworden.«
»Aber sie haben dich doch nach Bamberg geholt, Kanzler Haag und mein Vater, damit du so etwas verhinderst«, sagte sie. »Mein Vater hat mich in alles eingeweiht. Du kannst offen reden. Ich weiß Bescheid, Adam. Du musst Veit retten!«
»Offiziell bin ich als Berater des Fürstbischofs bestellt.« Er klang angespannt. »Von den anderen darf nichts bekannt werden.«
»Wir können es uns jetzt nicht leisten, allzu bedenklich zu sein«, sagte sie kühl. »Keiner von uns. Was können wir tun?«
»Ich fürchte, da bleiben wenige Möglichkeiten, Marie.«
»Wie wenige?«
»Sehr wenige.«
»Und das heißt ganz konkret auf Veit bezogen?«
»Es geht um sein Geständnis. Darauf läuft alles hinaus. Und um weitere Besagungen aus seinem Mund, sobald er gestanden hat. Um das zu bekommen, werden sie alle Mittel einsetzen.«
»Auch Folter?«, sagte sie mit bebenden Lippen.
»Auch Folter.«
»Das wird er nicht lange aushalten.« Simon hatte endlich seine Sprache wiedergefunden. »Ich kenne ihn. Er ist nicht so stark, wie es nach außen scheint.«
»Manche gestehen schnell«, sagte Adam. »Dann müssen sie weniger Pein erleiden.«
»Außer den Tod.« Maries Stimme klang bitter. »Denn der steht doch am Ende eines Drutenprozesses, oder etwa nicht? Man wird ihn verbrennen?«
»In den meisten Fällen – ja. Oder jemanden zum Tod durch das Schwert oder den Strang begnadigen, wenn er Glück hat, und erst danach dem Feuer übergeben. Es sei denn, es geschieht ein Wunder«, sagte Adam.
»Darauf können wir nicht warten«, sagte Marie. Sie gab Simon ein Zeichen. »Komm mit!«, sagte sie. »Wir beide haben jetzt zu tun!«
Er erhob sich nur zögernd.
»Du kannst nicht hier bleiben«, sagte sie. »Das siehst du doch ein? Und heimlich herkommen darfst du ebenso wenig, nicht einmal im Schutz der Nacht. Es sei denn, du nimmst in Kauf, das Schicksal deines Vaters noch aussichtsloser zu machen.«
Die beiden Männer sahen sich wortlos an. Es war schwer für beide, das konnte sie erkennen.
Marie ging zur Tür.
»Ich
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