Die Hüterin der Quelle
böhmischen Kontakte bemühen, um an Nachschub zu kommen. Aber ich konnte und ich wollte Euch nicht enttäuschen!«
»Der Weihnachtsbock?«
Der Braumeister nickte.
»Hätte ich gewusst, welche Sündenlast auf ihm liegt, ich hätte ihn noch mit weitaus mehr Aufmerksamkeit getrunken«, sagte der Fürstbischof. »Bereust du, was du getan hast?«
»Aus ganzem Herzen«, sagte Haller. »Gleich morgen gehe ich zum Kämmerer und begleiche die Steuern bis zum letzten Heller.«
»Es ist doch noch genügend Gerste da?«
»Beunruhigt Euch nicht, Exzellenz. Die Fässer sind randvoll, und der neue Sud gärt bereits.«
»Nun gut. Du wirst sechs Rosenkränze beten und zehn Vaterunser. Außerdem erwarte ich ordentlich Silber bei den nächsten Domkollekten. Und du finanzierst die Armenspeisung der Kapuziner für drei Monate.« Nach einer bedeutungsvollen Pause fuhr er fort: »Und gnade dir Gott, wenn deine neue Bocklieferung nicht bis spätestens Wochenanfang in meinen Kellern liegt!« Er beäugte ihn. »Du nimmst die Buße an?«
»Ich nehme die Buße an.«
Fuchs von Dornheim schlug das Kreuz; Pankraz Haller tat es ihm nach.
»Ego te absolvo. In nomine patri, filii et spiritus sancti.«
»Amen«, sagte Pankraz Haller.
»Und jetzt steht auf. Ich spüre schmerzhaft meine eigenen Knie, wenn ich Euch so sehe.«
Haller kam seiner Aufforderung nach, machte aber keine Anstalten, sich zurückzuziehen, sondern blieb vor dem Sessel des Fürstbischofs stehen.
»Habt Ihr sonst noch etwas auf dem Herzen, Braumeister?«
»Allerdings, Exzellenz. Es geht um meinen Schwiegersohn – Veit Sternen.«
»Nicht diesen Namen, hier in meinen Räumen! Ihr wisst doch, was man ihm anlastet.«
»Aber er ist unschuldig, Exzellenz! Ein eifersüchtiges Weib hat ihn zu Unrecht beschuldigt.«
»Das herauszufinden ist Aufgabe der Malefizkommission. Lauter gelehrte Spezialisten. Ich bin sicher, sie werden das richtige Urteil fällen.«
»Nebenan warten sein Sohn und seine Frau«, sagte Pankraz mit dem Mut der Verzweiflung. »Sie haben die Krippe mitgebracht, die Sternen für Euch geschnitzt hat. Ein Meisterwerk, Exzellenz, das weit über die Grenzen Bambergs hinaus …«
Fuchs von Dornheim hatte sich ächzend erhoben.
»Dann sagt ihnen, dass sie alles wieder einpacken und verschwinden sollen, bevor ich meine Wachen rufen lasse!«
»Es ist ihre letzte Hoffnung, Exzellenz«, flehte er. »Monatelang haben sie daran gearbeitet!«
»Die Krippe eines Druten in meinem Dom – niemals! Und jetzt lasst mich allein. Die ganze Angelegenheit hat mich erschöpft.«
Er klang so ungehalten, so endgültig, dass Pankraz keinen weiteren Versuch wagte. Mit gesenktem Kopf ging er hinaus und merkte zunächst nicht, dass Keller ihm folgte. Irgendwann blieb er stehen.
Der Astrologe trat zu ihm.
»Er hat die Krippe abgelehnt?«, sagte er.
»Ja. Er will sie nicht einmal ansehen«, sagte der Braumeister. »Wie soll ich das meiner Tochter und Simon beibringen?«
»Er ist enttäuscht, das müsst Ihr verstehen«, sagte Damian Keller. »Er hat sich so viel davon erwartet. Und nun …«
»Aber das Holz kann doch nichts für die grundlosen Anschuldigungen, die man gegen Sternen erhebt!«, rief Pankraz. »Ein Drute soll er sein – nur weil ein geiles Weib nicht bekommt, was sie sich in den Kopf gesetzt hat!«
»Das sieht der Fürstbischof anders. Es ist der Geist, der darin steckt. Und ist der Geist unrein, so ist es auch das Holz.« Seine Stimme wurde eindringlich. »Der Fürstbischof kann diese Krippe nicht im Dom aufstellen lassen, Haller. Nicht, solange Sternen unter der Anklage von Hexerei im Loch sitzt.«
Marie kam ihnen entgegen. Die innere Anspannung hatte ihre Züge wächsern gemacht.
»Sag nichts«, flüsterte sie. »Er hat abgelehnt!«
Simon, der hinter ihr hereingekommen war, erfasste die Situation mit einem Blick.
»Aber das darf er nicht!«, rief er. »Das kann er doch nicht machen. Monatelang haben wir daran gearbeitet. Für die Stoffe bin ich eigens bis nach Italien geritten. Marie hat nächtelang genäht. Wir haben eine neue Werkstatt angemietet, einen Batzen Geld vorgestreckt und bislang nur eine lächerliche Anzahlung bekommen, die längst verbraucht ist. Er muss sie annehmen, das ist er uns schuldig!«
»Gar nichts ist er«, sagte Marie. »Fuchs von Dornheim ist der Herr der Stadt – und wir sind Niemande.« Sie sank auf einen Schemel, der neben dem großen Tisch stand, wo Simon den Krippenberg aufgebaut hatte. »Das ist das Ende, Simon.
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