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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Veits Ende. Und meines auch. Denn bezahlt er nichts, so haben wir auch nichts mehr, um sein Leben im Loch erträglicher zu machen.«
    »Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen!« Simon hieb so fest auf den Tisch, dass ein paar Hirtenfiguren umfielen und ihre Tiere gleich mit ihnen. »Auf der Stelle gehe ich zu ihm und sag ihm, dass er …«
    »Verzeiht, wenn ich mich einschalte!«, sagte Damian Keller. »Es muss nicht das Ende sein. Nicht unbedingt. Allerdings würde ich Euch raten, Seine Exzellenz heute nicht mehr mit diesem heiklen Thema zu behelligen. Aber mir ist da eben eine Idee gekommen, die ein Ausweg sein könnte – vielleicht.«
    »Dann redet schon!«, verlangte Pankraz.
    »Gerne. Allerdings würde ich meinen Vorschlag am liebsten mit dem jungen Sternen unter vier Augen besprechen. Seid Ihr bereit?«
    Simon nickte.

    Agnes hörte ihn erst schreien, später wimmern. Danach war alles still, und das war das Schlimmste von allem. Dunkelheit umfing sie, so vollständig, dass sie Angst hatte, das tiefe Schwarz würde in sie einsickern und sie schließlich nach und nach vollständig auslöschen.
    Sie versuchte an die Gesichter ihrer Töchter zu denken, an den runden Kopf des kleinen Harlan mit seinen abstehenden Ohren. Sogar die groben Züge des großen Harlan sehnte sie inständig herbei, aber vor alles schoben sich immer wieder die Bilder von Blut und splitternden Knochen.
    Was hatte sie getan? Wozu hatte ihre Angst sie getrieben, ihre Rache, ihre Eifersucht?
    Nur ihr linkes Bein war mit einer eisernen Kette beschwert; ihre Handgelenke waren ungefesselt, ein Privileg, das sie einzig und allein den immensen Geldsummen verdankte, die Harlan wöchentlich für sie ablieferte. Sie erhielt nicht nur Wasser und Brot, sondern auch Suppe und Knödel, und manchmal reichte ihr einer der Wärter sogar einen Krug wässriges Bier hinein, das sie gierig trank, auch wenn der Durst danach nur umso größer war.
    All das hätte sie jetzt dafür gegeben, und noch viel mehr, wenn sie noch einmal seine Stimme hätte hören dürfen.
    Doch es blieb still. Schwarz und still.
    War sie nun schuld an Veits Tod? Sie barg den Kopf in den Händen, begann wieder hin und her zu schaukeln, wie sie es seit endlosen Stunden schon getan hatte.
    Plötzlich war da ein hoher Schrei. Gellend, durchdringend, der durch die Schwärze drang.
    Ein Mensch in Todesangst.
    Agnes begann zu zittern. Erst dann merkte sie, dass er aus ihrer eigenen Kehle gekommen war.

    Das Feuer kroch über ihre Haut, hatte bereits die Waden erfasst, die Knie, die Schenkel. Immer weiter nach oben schob es sich, aber es war nicht heiß, sondern bestenfalls lauwarm. Dennoch sah Ava, wie ihr Körper sich unter seinem Einwirken veränderte. Das Fleisch schien zu schmelzen, gab Muskeln und Sehnen frei, schließlich blanke Knochen.
    Das Kind!, schoss es ihr durch den Kopf. Es wird gleich mein Kind töten!
    Sie begann wild zu strampeln, aber das Feuer wich nicht, sondern blieb hartnäckig an ihr haften.
    Mit einem Schrei schoss sie hoch, sah mit angstverzerrtem Gesicht an sich hinunter.
    »Du hast geträumt«, hörte sie Mathis neben sich sagen. »Schlecht geträumt, Ava. Aber das ist jetzt vorbei.«
    Sie träumte noch immer, das wusste sie. Er lag neben ihr auf dem Bett, in Hosen und Stiefeln, als sei er eben erst zur Türe hereingekommen. Eine Kerze stand auf dem kleinen Hocker neben ihrem Bett; etwas Bräunliches lag davor.
    »Wo warst du?«, stieß sie hervor. »Ich dachte, du bist tot. Ich hätte dich gebraucht. Wieso hast du mich so lange warten lassen?«
    Er legte den Finger auf die Lippen und lächelte.
    »Jetzt bin ich ja da«, sagte er. »Du musst große Angst gehabt haben, so wie du eben geschrien hast. Willst du mir nicht erzählen, weshalb?«
    »Ich weiß nicht«, flüsterte sie und spürte, dass die Tränen sich nicht länger zurückhalten ließen. »Da war auf einmal überall Feuer – beinahe so wie damals …«
    »Was war damals, Ava?«
    »Ich kann nicht«, sagte sie weinend.
    »Doch, du kannst.« Sie spürte seine warme Hand auf ihrem Scheitel. »Versuch es!«
    »Meine Eltern waren Glasbläser«, sagte sie. »Und als mein Vater gestorben war, hat meine Mutter sich mit Wenzel zusammengetan. Ein Nachbar. Ein guter Mann, etwas jünger als sie, den ich gern leiden mochte, und mein Bruder, der kleine Karel, auch. Dann wurde meine Mutter wieder schwanger …« Ihr Schluchzen wurde heftiger. »Wir haben uns alle so gefreut! Auch wenn ihr oft übel war und sie

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