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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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waren kraftvoll. Melchior hatte ein scharf geschnittenes, bärtiges Greisengesicht, in dem die Augen wie eine Lichtquelle strahlten. Balthasar, mit einem kurzen Kinnbart, sah aus wie ein selbstbewusster Ratsherr, der Tatkraft und Zuversicht verströmt. Caspar, der jüngste der drei Magier, glatt rasiert, wirkte sanft und gleichzeitig weise. Der Überlieferung nach stammte der erste aus Asien, während der zweite Europäer war, der dritte Afrikaner. Aber was Simon zu Papier gebracht hatte, waren hiesige Gesichter, Gesichter aus Bamberg: Männer, die man am Hafen sehen konnte, auf den Brücken oder in irgendeiner Werkstatt. Nicht einmal die dunkle Schattierung des Mohren änderte etwas daran.
    »Sehr schön«, sagte Veit. »Das Beste, was ich bislang von dir gesehen habe. Aber vereinbart hatten wir etwas anderes.«
    »Ich weiß, Vater. Es tut mir Leid. Aber ich musste es tun. Es wollte einfach aus mir heraus – genau auf diese Weise.«
    Veit hatte auf diesen Augenblick gewartet. Aber musste er ausgerechnet jetzt eintreten, wo er sich so elend fühlte?
    »Man sollte sich nur entschuldigen, wenn man es auch wirklich so meint«, sagte er. Die Zunge lag ihm so pelzig im Mund, dass selbst das Sprechen plötzlich eine Anstrengung war. »Sonst ist es nichts als Verstellung. Und damit schlimmer als Hochmut. Wir reden darüber, sobald ich mich besser fühle.«
    Er stand auf, umfasste den Ellenbogen mit der linken Hand und spürte dabei die starke Schwellung. Seine Rechte war taub, die Fingergelenke erschienen ihm unnatürlich verdickt. Wenn dieser Zustand anhielt, konnte er vielleicht nie wieder ein Schnitzeisen führen. Veit wehrte sich gegen die Angst, die ihn bei diesem Gedanken befiel.
    »Ich muss mich wirklich niederlegen. Arbeite du weiter an den Entwürfen für die Tiere. Wenn du willst, kannst du dich an ein paar neuen Böcken versuchen. Ich möchte noch mehr Lebendigkeit in das Geschehen bringen. Und danach nimmst du dir die Hirten vor. Ich bin schon gespannt auf deine Zeichnungen.«
    »Aber ich …«
    »Oder willst du wieder nur Füße und Hände machen – so lange, bis auch diese Krippe beendet ist?«
    Simon schüttelte den Kopf. Seine Augen waren dunkel geworden.
    »Gut. Dann ist ja alles klar. Und trödle nicht herum. Wir sollten so bald wie möglich mit dem Schnitzen beginnen.«
    Sehr aufrecht ging er hinaus.
    Simon packte das Blatt, zerknüllte es und warf es ihm hinterher.

    Es war schwieriger mit den Äschen, als sie geglaubt hatte. Bastian Mendel, den Ava danach fragte, als er ihr einen frischen Fang brachte, wiegte nachdenklich den Kopf.
    »Sie beißen schlecht«, sagte der Fischermeister und steckte die Münzen ein, die sie ihm gegeben hatte. »Könnte an der neuen Steinmühle liegen, die sie erst vor ein paar Tagen flussaufwärts in Betrieb genommen haben.«
    »Und was wird jetzt aus der Hechtmühle? Die, die Kurz früher bewirtschaftet hat?«
    Er zuckte die Schultern. »Da musst du schon Kurz selber fragen. Aber wozu willst du ausgerechnet Äschen?« Er deutete auf die gefüllten Körbe, in denen Zander, Forellen und Hechte lagen. »Zum Verkaufen hast du doch mehr als genug.«
    »Ich brauche sie«, beharrte Ava. »Für ganz spezielle Kunden.«
    Eine Weile blieb er stumm. Die Falte zwischen seinen blonden Brauen vertiefte sich.
    »Kannst ja den anderen damit beauftragen«, sagte er dann. »Er hört nicht auf, in unseren Revieren zu wildern. Aber das weißt du ja sicher. Sag ihm, er soll aufpassen. Denn wenn wir Fischer ihn in die Finger bekommen, hat er nichts mehr zu lachen.«
    Das erste Mal, dass er direkt auf Mathis anspielte. Ava beschloss, es nicht zu kommentieren.
    »Dann warte ich eben«, sagte sie, »bis sie wieder besser beißen. Obwohl ich es nicht gern tue.«
    Bastian antwortete nichts darauf, wie es seine Art war, die Augen aber flogen neugierig durch den Raum. Toni und Kaspar saßen nebeneinander auf der Küchenbank und vertilgten die letzten schrumpeligen Winteräpfel, während Lenz gerade mit einem Bündel Äste aus dem Wald zurückkam.
    »Du hast ja ordentlich Zuwachs bekommen«, sagte er schließlich.
    »Sozusagen.« Von draußen war Kunis Stimme zu hören und das freudige Quietschen Lenchens; die beiden spielten Fangen unterm Hollerbaum.
    »Für immer?«
    »Nein«, sagte Ava. »Nur so lange, bis sie wieder etwas mehr Fleisch auf den Rippen haben.«
    »Und ich dachte, du bist am liebsten allein.«
    Bastian hatte einen wunden Punkt getroffen, das merkte sie, als er sich wortkarg

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