Die Hüterin der Wölfe (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
Anatoo. "Ja, Telgar, der Beschwörer der Männer der Berge, hat meinem Vater auch von diesem Heilsaft erzählt. Er hatte ein wenig hergestellt, ich denke, er sucht gerade nach diesem Baum." Er nahm den Saft von Pinaa entgegen und kostete ihn. "Das kann ich ihr geben." Dann untersuchte er die gelben Blüten. "Die Blumen kenne ich." sagte er nachdenklich. "Aber wir wissen nichts von einer heilenden Wirkung." Er sah Pinaa an. "Warum sollte Telgar das meinem Vater verschwiegen haben?" Pinaa wusste nicht, wie sie dieses Argument entkräften konnte. "Bitte Anatoo ..." Sie sah ihn flehend an. "Du musst mir glauben." Sanaa kam mit einem dampfenden Schälchen zu ihnen zurück. Anatoo nahm das Schälchen und roch daran. Dann ging er langsam in das Zelt.
Sie saßen am Feuer und warteten. Kittoo war mit vielen Stücken Rinde zurück gekommen, die er sofort zur Verarbeitung in Schalen am Feuer getan hatte. Danach hatte er mit Anatoo gesprochen und sich von Pinaa die Blüten geben lassen. Er und sein Sohn waren danach bei Linaa im Zelt geblieben. Sie hatten sich zwischendurch kaltes Wasser, den fertigen Extrakt der Rinde und dann auch wieder die erhitzten gelben Blüten bringen lassen. Aus dem Zelt war öfter ein dunkles lautes Geräusch zu hören gewesen, manchmal klang es, als ob Linaa ersticken würde. Sanaa war jedes Mal zusammengezuckt. Auch die anderen Sippenmitglieder waren zurück gekehrt. Zunächst die Frauen. Einige begrüßten Pinaa freundlich und wollten ihre Geschichte hören. Aber Pinaa wollte warten, bis sie wusste, wie es Linaa ging. Und natürlich musste Kittoo als erster informiert werden. Dazu war einfach noch keine Zeit gewesen, also gab sie nur ein paar vage Auskünfte und hüllte sich ansonsten in Schweigen. Die später eintreffenden Männer hatten tatsächlich einen jungen Bären erlegt, den sie eher zufällig entdeckt hatten. Ausgezehrt und schwach hatte ihn der Hunger gerade aus der Winterruhe gerissen und er war noch nicht in der Lage gewesen, sich wirkungsvoll zu verteidigen. Das war ein gutes Zeichen. Die Frauen empfingen sie mit Jubel und machten sich gleich daran, den Bären zu zerlegen und das Essen vorzubereiten.
Pinaa war ihnen entgegengelaufen und ihrem Vater in die Arme gefallen. Tanoo war so überrascht, dass er sie nur fest an sich drückte.
Und nun saßen fast alle hier und warteten auf Kittoo und auf das Essen. Pinaa hatte ihrem Vater zumindest versichert, dass es ihr gut ging und sie jetzt bei ihm bleiben würde, wenn sie das dürfte. Tanoo freute sich und war gespannt, die ganze Geschichte zu erfahren. Er hatte sie sehr vermisst und sich viele Sorgen gemacht. Allerdings hatte er ihr auch eine Neuigkeit mitzuteilen. Aber das alles musste warten, ihre Gedanken waren bei Linaa. Sie hatte einen kurzen Blick in das Zelt werfen könne, als Anatoo hinein gegangen war. Linaa hatte dort dick in Felle eingepackt weich auf aufgeschichtetem Laub gelegen, sie war ganz bleich gewesen und der Schweiß war ihr über das Gesicht gelaufen.
Es regte sich etwas. Kittoo und Anatoo kamen aus dem Zelt. Alle drehten sich um, Sanaa stand auf. Kittoo lächelte. "Ich denke, sie hat es geschafft." sagte er. "Die Hitze ist weg." Pinaa atmete erleichtert auf. Sanaa, ihr Mann und Minoo umarmten sich und dankten der Göttin für die Heilung ihrer Tochter. Und natürlich Kittoo und Anatoo für die Fürsorge. "Ihr könnt kurz hineinsehen, wenn ihr wollt." meinte dieser. "Sie schläft. Wir werden ihr nachher eine Brühe bringen." Sie gingen zu ihr und Pinaa flüsterte Anatoo zu: "Danke, dass du mir vertraut hast." Er winkte ab. "Ich traue dir nicht. Das werde ich nie. Aber ich habe keinen Namen gesagt und du wusstest, dass es Linaa ist. Du wolltest wirklich helfen." sagte er. "Und wer immer sie dir gegeben hat, die gelben Blüten haben gewirkt. Wir werden sie weiter verwenden." Pinaa war das genug. Es war ein schönes Gefühl, jemandem tatsächlich geholfen zu haben. Ihr wurde bewusst, dass es nur darauf ankam. Es war nicht wichtig, ob man ein Beschwörer oder Heiler war oder Bilder der Ahnen empfing. Es war auch nicht wichtig, dass andere einen als Heiler sahen. Wichtig war nur, dass man helfen konnte. Egal auf welchem Weg. Und egal, wer später dafür die Anerkennung bekam. Es zählte nur der Heilerfolg. Man musste niemand anderen besiegen außer der Krankheit. Pinaa nahm sich vor, sich immer an dieses Gefühl zu erinnern.
Nachdem alle zur Ruhe gekommen waren, nahm die Sippe eine schmackhafte Mahlzeit aus
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