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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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aus Respekt vor der katholischen Kirche seinerzeit vornehmen ließ«, erwiderte Titus, seine Augen blickten so wach und klar wie selten zuvor. »Das wurde nach dem Tod der betroffenen Personen bekannt. Der Häretiker behauptete nämlich, das Schreiben des Papstes mit dem Befehl zu seiner Verhaftung sei eine Fälschung seiner Widersacher in Deutschland. Eine solche Äußerung hätte Krieg bedeutet, den Friedrich von Sachsen damals unbedingt zu vermeiden versuchte.«
    »Einen Krieg, der unausweichlich scheint, wenn vor Ende der Verhandlungen zum Religionsfrieden Schriftstücke kursieren würden, welche den Kurfürsten von Sachsen der Willensbeugung und Kardinal Cajetan der Lüge bezichtigten«, stimmte von Hallensleben grimmig zu. »In diesen Briefen hier heißt es, Luther hätte die Thesen in Augsburg widerrufen, habe aber in Freiheit und unter dem Einfluss des Herrschers von Sachsen und anderer hoher Herren nicht zugeben können, dass er sich der Intelligenz des Kardinals gebeugt habe. So ergibt seine Behauptung, der Papst-Befehl sei eine Fälschung, durchaus Sinn.«
    Christiane schnappte nach Luft. Der Betrug war ebenso perfide wie logisch. Wenn ich nur wüsste ...!, fuhr es ihr durch den Kopf. Plötzlich unterbrach sie ihren Gedanken. Als hebe sich ein Nebelschleier von ihrem Gehirn, sah sie vorihrem geistigen Auge das Wort stehen, welches von Hallensleben ausgesprochen hatte: Widerruf! Es stand in irgendeinem Zusammenhang mit einem Erlebnis in ihrer jüngsten Vergangenheit, das wusste sie genau. Dennoch konnte sie es nicht einordnen. Was war es nur? Da senkte sich der Dunst über ihre Erinnerungen.
    »Ihr erzählt eine gute Geschichte«, befand Titus scheinbar ungerührt von Hallenslebens Bericht. »Wäre ich noch Verleger, ließe ich sie Euch aufschreiben und würde sie mit dem entsprechden Explicit herausbringen. Doch darum geht es nicht. Warum seid Ihr hier? Was hat dieser Betrug mit meinem Sohn, seiner Werkstatt oder seinem Gesellen zu tun?«
    »Auf verschiedenen Papieren entdeckte ich das Wasserzeichen der Papiermühle, wo auch Severin einzukaufen beliebt ...«
    Titus machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das hat nichts zu sagen. Jedermann kann seinen Beschreibstoff überall erwerben. Würde eine Manufaktur nur einen Drucker beliefern, wäre sie bald bankrott.«
    »Das Druckerzeichen spricht leider eine eindeutige Sprache«, von Hallensleben wandte sich zum Schreibtisch, ergriff den obersten Bogen seines Stapels und reichte diesen Titus. »Ich frage mich zwar, wieso Severin so dumm sein sollte, eine Fälschung dieses Ausmaßes zu kennzeichnen, aber vielleicht handelt es sich um einen Probedruck – oder Übermut. Wer weiß das schon?!«
    Die Hände des alten Mannes zitterten. Christiane beobachtete mit Bestürzung, wie seine Gesichtsfarbe noch bleicher wurde und die Falten um seinen Mund zu tiefen Furchen wuchsen. Titus Meitingers Entsetzen war so deutlich, dass sie am liebsten aufgesprungen und ihn tröstend in die Arme genommen hätte. Gleichwohl spürte sie Unmut gegen ihn in sich aufsteigen. Er verurteilte seinen Sohn, ohne die Hintergründezu kennen. Wieso glaubte er nicht an einen Irrtum, üble Verleumdung vielleicht, und an Severins Unschuld? Die Vorstellung, ihr Gatte könnte sich an Schriften Martin Luthers vergriffen haben, erschien Christiane unmöglich. Selbst wenn es sich um einen Widerruf handelte, waren die Worte des Reformators nichts als Teufelswerk für Severin. Schlimmer noch als die Sünde der Lüge.
    »So es mir möglich ist, möchte ich versuchen, Schaden abzuwenden«, sagte von Hallensleben in die Stille. »Von Seiner Kaiserlichen Majestät, vom König, den Kurfürsten und Fürsten, ihren Untertanen, vom Reichstag und letztlich auch von der Druckerei Meitinger.«
    »Ich möchte mit meinem Sohn sprechen«, verkündete Titus. Er hob seinen Kopf und sah Christiane aus Augen an, die zu ihrem größten Schrecken in Tränen schwammen. »Wann erwartest du ihn zurück?«
    »Nicht vor morgen«, antwortete sie. »Er meinte, ihm reiche wohl die Zeit nicht aus, früher aus Ulm zurückzukommen. Ich glaube, er wollte in der Posthalterei zu Auerbach übernachten, wenn es zu spät zur Heimkehr würde.«
    Titus schüttelte den Kopf. »Mein Gespräch duldet keinen Aufschub. Sorg dafür, Söhnin, dass ich unverzüglich auf Reisen gehen kann«, er mühte sich, auf den Stock gestützt, von seinem Stuhl hoch.
    Ein alter Mann, der sich nur so schwerfällig bewegen konnte, war nicht in der Lage, ein paar

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