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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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Stunden in einem Sattel durchzuhalten, selbst wenn sein Ritt nur bis zur letzten Poststation vor Augsburg dauern würde, die bereits zum Herrschaftsgebiet der Reichsstadt gehörte. Und eine Kutschfahrt war kaum bequemer für seine morschen Knochen. Ebenso ratlos wie hilfesuchend schaute Christiane zu von Hallensleben.
    Der verstand ihren Blick. »Nur gemach, Meitinger, überstürztnichts. Auch ich möchte Severin so rasch wie möglich zur Rede stellen, aber die Zeit bis zu seiner Heimkehr habe ich wohl.« Er nahm Titus den Bogen ab und begann, die Papiere wieder in das Wachstuch zu verpacken. »Was immer mit diesen Schriften nicht stimmt, Meitinger, ich werde herausfinden, was es ist. Überlasst das Handeln mir.«
    »Ich will es wissen«, murmelte Titus in sich hinein. Ohne sich von dem Besucher zu verabschieden, humpelte er in Gedanken versunken aus der Stube.
    »Verzeiht, er ist ...«, hob Christiane an, während sie sich erhob, und unterbrach sich gleich wieder. Was konnte sie schon sagen, um Titus’ Unhöflichkeit zu verteidigen? Dass er verwirrt war? Verzweifelt ob der Schuld, von der er überzeugt war? Dass ihn die Scham übermannt hatte? Es war eine verständliche Reaktion angesichts der Druckermarke – und deshalb schwieg sie betroffen.
    »Sobald Meitinger heimkehrt, sagt ihm, dass ich ihn deshalb sehen will«, von Hallensleben hielt ihr das Päckchen entgegen wie einem Hund den Knochen und zog es sofort zurück. »Ich erwarte eine gute Erklärung, was es damit auf sich hat.«
    Christiane nickte. Doch ihre Geste galt weniger seiner Aufforderung als ihrer Überlegung, dass sie Severin zur Wahrheit drängen würde, bevor er mit einem anderen über die Fälschungen sprach. Sie wollte genauso wie der alte Titus oder von Hallensleben erfahren, wieso sich ihr Gatte in einen derartigen Betrug verstricken konnte. Oder ob er unschuldig war ...

Auerbach bei Augsburg,
am selben Abend
13
    Tiefschwarze Nacht lag über der Landschaft. Es war ungewöhnlich kalt für die Jahreszeit. Von den Wiesen stieg dichter Nebel auf und hüllte die Wälder in einen weißen Schleier. Die beiden Reiter konnten kaum noch die eigene Hand vor Augen erkennen. Erleichtert registrierten die Männer deshalb, wie im Dunst die ersten Lichter des Dorfes aufleuchteten.
    »Da ist die Posthalterei«, rief Wolfgang seinem Begleiter zu, nicht sicher, ob er mit seiner Vermutung richtiglag, aber hoffnungsfroh, endlich aus dem Sattel steigen zu dürfen. Sich selbst Mut zusprechend, fügte er hinzu: »In diesem gottverlassenen Weiler gibt es sicher nichts anderes als einen Stall und eine Herberge.«
    »Aber das genügt mir vollkommen«, keuchte Bernhard Ditmold, atemlos vom Ritt.
    Aber je näher sie den Lichtern kamen, desto deutlicher wurde, dass sie einer optischen Täuschung zum Opfer gefallen waren. Nicht die Kerzen in den Fenstern eines Hauses wiesen ihnen den Weg. Fackeln durchschnitten den dichten Nebel. Die in Pech getauchten Kienspäne leuchteten einer Gruppe Männer den Weg, die wie bei einer Prozession in geordneter Folge aus einer Lichtung heraus auf das Dorf zuschritten. Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Bittgang herrschte kein Schweigen unter den Leuten. Aufgeregtes Stimmengewirr war zu hören, doch der Dunst schluckte die einzelnen Worte.
    Wolfgang beschlich das Gefühl, dass ihn und seinen Freund hier nichts Gutes erwartete. Er war ein Dummkopf gewesen,als er darauf bestanden hatte, die nächste Posthalterei aufzusuchen, statt bereits im Marktflecken Schappach Station zu machen. Aber er drängte darauf, sein Ziel zu erreichen. Trotz der Unannehmlichkeit des schlechten Wetters – und obwohl sein Hintern verdammt schmerzte.
    Ein Aufstand der Bauern, erwog er angesichts des Aufmarschs und zügelte sein Pferd. Bernhard tat es ihm gleich. In gemächlichem Tempo folgten sie den Männern. Diese sammelten sich schließlich vor einem der ersten Gebäude einer Handvoll Gehöfte, die sich schemenhaft aus dem verschleierten Dunkel erhoben.
    Die Gestalt eines Burschen löste sich aus dem Schatten des Scheunentors.
    »Wir haben ihn gefunden!«, verkündete einer der Männer.
    »... den Bader rufen«, hörte Wolfgang eine Stimme aus dem Hintergrund.
    »Unsinn. Der braucht keine Behandlung mehr ...«
    »Da kann nicht einmal der Prediger noch etwas ausrichten.«
    »Den Schädel hat ihm die verdammte Diebesbande eingeschlagen ...«
    Wolfgang spürte, wie sich ihm der Magen zusammenzog. Wenn Räuber in den umliegenden Wäldern ihr Unwesen trieben, waren

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