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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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dichte, graue Haar.
    »Ich weiß nicht, Herr«, murmelte Karl, sich offenbar bemüßigt fühlend, etwas zum Gespräch beizutragen, was sich jedoch als nicht sonderlich hilfreich erwies.
    War es Verlegenheit?, fragte sich Christiane und beobachtete ihn scharf. Der Geselle wirkte so verschlossen wie immer – entdeckte sie nicht auch Verschlagenheit in seinen Augen? Karl war nicht dumm. Drucker mussten lesen und schreiben können, sie waren naturgemäß gebildeter als die meisten anderen Handwerker. Versuchte Severins Gehilfe, mit Naivität zu glänzen, um die eigene Verlogenheit zu überdecken? Christiane ballte die Faust.
    »Aber ich weiß, dass diese Dokumente die gesamte Christenheit in Aufruhr stürzen, wenn sie in Umlauf gerieten«, brüllte von Hallensleben verdrossen.
    Schweigend senkte Karl den Kopf.
    Wohl im Gegensatz zu Severins Gesellen konnte sich Christiane sehr genau vorstellen, wie verzweifelt der Bibliothekar über seinen Fund war. Sie hatte zwar nicht die geringste Ahnung, was in den Schriftstücken stand, die von Martin Luther und dem berühmten Gesandten des Papstes verfasst worden sein sollten, aber ihr war auch ohne von Hallenslebens detaillierte Erklärung klar, dass diese brisanten Inhalts sein könnten. Andererseits war sie ebenso sicher, dass derleiDruckerzeugnisse nicht von Meitingers Hand waren. Natürlich war das offenbar neue Wasserzeichen ein Beweis, aber doch nur für eine Fälschung. Damit stand keinesfalls fest, dass Severin der Urheber war. So ungern es Christiane zugab, weil sie den Gesellen trotz allem nicht mochte – Karl hatte recht, die Mühle belieferte sicher noch andere Drucker ...
    Als stünden Christianes stumme Zweifel in der Luft geschrieben, beugte sich von Hallensleben vor und griff nach einem anderen Bogen. Deutlich leiser, aber mit schwankender Stimme konstatierte er: »Willst du mir einreden, Karl, dass dies nicht die Druckermarke deines Herrn ist?«
    Es war nur ein relativ kleines Signet, aber Christiane erkannte es selbst auf die Distanz, die zwischen ihr und dem Gast lag: eine verschnörkelt dargestellte Druckerpresse, die bei näherer Betrachtung den Buchstaben M ergab. Das war in der Tat ein erdrückender Beweis.
    »Wie seid Ihr dazu gekommen?«, entfuhr es ihr. Einen Herzschlag später ärgerte sie sich über ihre vorlaute Frage. Es wäre besser, sie hätte schweigend weiter belauscht, was von Hallensleben zu sagen hatte, anstatt ihn auf sich aufmerksam zu machen.
    Tatsächlich starrte der Bibliothekar sie an, als sehe er sie zum ersten Mal. »Ein mir gut bekannter Buchführer hat sie entdeckt«, erwiderte er nach einer Weile, in der er offenbar gegrübelt hatte, ob Meitingers Ehefrau einer Antwort würdig war. »Wahrscheinlich auf irgendeiner Messe. In Frankfurt war es nicht, aber das ist auch gut so, denn dann wäre viel zu viel Aufhebens um diese üblen Druckerzeugnisse gemacht worden ...«
    »Worüber plaudert Ihr derart ungehalten, Herr von Hallensleben?«, fragte eine Stimme in Christianes Rücken, die ebenso zerbrechlich wie herrisch klang.
    Sie fuhr herum, starrte ihrem Schwiegervater ins Gesicht.Das Auftauchen des alten Mannes schien auch von Hallensleben zu verwirren, denn er brach seine Erklärung abrupt ab. Das allgemeine Schweigen angesichts Titus’ Auftritts war deutlich: Keiner in Severins Schreibstube wollte das Thema vor dessen Vater weiter erörtern.
    Der Stock, auf den sich Titus stützte, schlug ungehalten auf den Boden. »Wenn Ihr schon in einem Ton in diesem Haus sprechen müsst, der die Wände erzittern lässt und bis in meine Kammer unter dem Dach zu hören ist, solltet Ihr schon eine Rechtfertigung zur Hand haben, Herr von Hallensleben.« Erst jetzt schien dem Alten die Anwesenheit des Gesellen aufzufallen: »Und du, Karl, warum vertrödelst du deine Zeit, indem du von einem Bein auf das andere trittst, anstatt die Presse zu bedienen?«
    »Verzeiht mir, Meitinger, ich wollte Euch weder stören noch aufregen«, versicherte von Hallensleben gepresst. »Einige Unannehmlichkeiten ließen mich die Regeln der Höflichkeit vergessen.«
    Titus schob sich an Christiane vorbei ins Zimmer. »Welche Unannehmlichkeiten?«
    »Ich muss wieder an die Arbeit gehen, Herr«, mischte sich Karl ein, offensichtlich erleichtert über das Auftauchen des betagten Meisters und die indirekte Aufforderung, in die Werkstatt zu verschwinden.
    »Nein«, bestimmte von Hallensleben ungeachtet des Alten barsch. »Zuerst sagst du mir, ob du eines dieser Werke kennst

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