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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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ahnte, dass überhaupt nichts in Ordnung war. Sie kannte nur den Feind noch nicht, gegen den sie würde ankämpfen müssen.
    Sebastian hob das Tintenfässchen auf und wischte mit einem Tuch, das er aus seinem Wams zog, halbherzig über die Bisterlache am Boden. Anschließend setzte er sich wieder hin und begann, über seinen Schriftstücken zu brüten.
    Wenn sie nur wüsste, überlegte Martha, warum Sebastian so verzweifelt war.
3
    »Angeblich konnten der armen Person bis zu dreißig Teufel ausgetrieben werden«, schloss Christiane ihren Bericht. »Es hat keiner der Zuschauer etwas davon bemerkt, man muss sich dabei auf die Behauptung des Priesters verlassen, aber der war sich seiner Sache sicher.«
    »Und du glaubst natürlich nichts, was du nicht selbst in Augenschein genommen hast?«, bemerkte Martha.
    »Ach, es war grässlich. Das ist das Einzige, was ich wirklich weiß.«
    Entschlossen, als könnte sie mit einer energischen Geste die Erinnerung an den vergangenen Abend auslöschen, zog Christiane das Laken in ihren Händen glatt, faltete es zusammen und legte es auf den Stapel sauberer Wäsche, die Martha zuvor von der Leine genommen und zum großen Teil bereits aufgeräumt hatte.
    Angeblich auf dem Weg zu Besorgungen, war Christiane wie ein frischer Wind bei ihrer nur wenig älteren Cousine hereingeweht. Ihre Ausrede war eine Lüge, denn die Meitingerin tätigte ihre Erledigungen nicht in der Unterstadt. Aber auf diese Weise konnte sie behaupten, zufällig auf die venezianischen Marzipannaschereien gestoßen zu sein, die Martha so mochte und die sie gekauft hatte, weil sie unerschwinglich für die Rehmin waren. Christiane war stets bemüht, Martha eine Freude zu bereiten, doch stellte sie ihre Mildtätigkeit so dar, als wären ihre Einkäufe nur eine kleine Gefälligkeit; sie versuchte, der anderen jede Peinlichkeit zu ersparen.
    Deshalb fragte Christiane auch nie, was etwa aus der Bahn Tuch geworden war, die sie Martha neulich hatte zukommen lassen. Eigentlich hatte Severin Meitinger den edlen Stoff für ein neues Kleid seiner Frau erworben, aber Christiane hatte ihn heimlich zerschnitten und mit Martha geteilt. Für siewürde ein Rock daraus geschneidert werden, Martha hatte damit wahrscheinlich eine gefüllte Speisekammer finanziert. Zwar hätte sie auch ihrer Cousine eine bessere Garderobe gewünscht, doch es war ihr egal, was diese aus ihren Geschenken machte – Hauptsache, sie konnte ihr eine Freude bereiten. Und dafür war Meitingers Großzügigkeit gerade recht.
    Severin machte sich nicht viel aus Kleidung und Schmuck, wenn es um seine eigene Person ging, aber er geizte nicht daran, seine erst zwanzigjährige Gemahlin mit allem auszustaffieren, was es für Rheinische Goldgulden zu kaufen gab. Freilich ahnte Christiane, dass er nicht allein ihretwegen so freigebig war, sondern aus Gründen des eigenen Ansehens: Seine an sich selbst praktizierte Bescheidenheit ließ leicht Gerüchte aufkommen, seine Geschäfte gingen nicht so gut. Also musste der schöne, schlanke Körper seiner jungen Frau als Mittel zum Zweck dienen und beweisen, dass der Verkauf in der Druckerei Meitinger hergestellter Ritterromane, Schwanksammlungen und Ratgeber für alle Lebenslagen ganz vortrefflich lief. Glücklicherweise erkundigte er sich nur halbherzig, welche Kosten seine junge Gattin für den Haushalt oder sich selbst aufwendete. Er gab ihr Geld, machte ihr Präsente und ging ihre Abrechnungen dermaßen desinteressiert durch, dass Christiane in der Lage war, Martha an ihrem eigenen Wohlstand ein wenig teilhaben zu lassen.
    In der bescheidenen Stube der Rehms wirkte sie wie ein Paradiesvogel unter gewöhnlichen Sperlingen. Wie bei jedem Ausgang hatte sie gegen die noch immer herrschende feuchte Winterkälte eine Husseke mit Marderbesatz um ihre Schultern gelegt, die ein kleines Vermögen gekostet hatte, zu dem der silberne Verschluss am Hals beitrug. Nach ihrem Eintreten hatte sie den Mantel abgestreift und scheinbar achtlos über die Wiege geworfen – hoffend, dass sie auf diese Weise ihren kleinen, hüstelnden Großcousin ein wenig wärmte.
    Obwohl Martha nicht annähernd die vornehme Ausstrahlung Christianes besaß, war die Familienähnlichkeit an den schmalen Gesichtern mit den hohen Wangenknochen, ihren kleinen Nasen und den großen, bernsteinbraunen Augen erkennbar. Christianes wohlgeordnetes Haar, das sie unter eine perlenbesetzte Kalotte gesteckt trug, leuchtete indes wie poliertes Kupfer, während Marthas Frisur ein

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