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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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Cousine und Freundin nicht wünschen. Und der kleine Johannes würde in geordneten Verhältnissen aufwachsen. Warum nagten dann Zweifel an ihr – und Eifersucht?
    Als habe er ihren Blick gespürt, richtete er sich in einer hastigen Bewegung auf. Dabei rutschte etwas aus seinem Ärmel. Christiane hörte es auf die Dielen fallen. Unwillkürlich bückte sie sich. Fast gleichzeitig ging Delius in die Knie. Beide griffen nach den silbern schimmernden Würfeln, die über dem Boden verstreut lagen wie Johannes’ Bauklötze beim Spiel.
    »Was ist das?«, fragte Christiane. Erschrocken zog sie ihre Hand zurück, die zufällig Delius’ Finger berührt hatte. Sie blieb jedoch in der Hocke sitzen und war ihm so nah, dass sie seinen Atem auf ihrer Wange spürte.
    »Das solltet gerade Ihr wissen, Druckermeister Meitingers Witib«, gab er zurück, und sein sarkastischer Unterton missfiel ihr. »Es sind Bleilettern.«
    »Ist das Euer Talisman?«
    »Gott bewahre, nein. Wenn mich nicht alles täuscht, dürften diese Schriftzeichen im Setzkasten Eurer Druckerei fehlen. Sechs Buchstaben: Ein C, ein E, ein R, zwei Mal O und ein V.«
    Christiane erbleichte. »Revoco«, flüsterte sie und brachte die Bleilettern auf dem Boden in die richtige Reihenfolge. »Es heißt revoco .«
    »Respekt! Mein Freund Ditmold und ich benötigten deutlich mehr Zeit, das Wort zu finden.«
    »Woher habt Ihr das?«
    »Es wurde in Antons Taschen gefunden. Ditmold und ich sind sicher, dass er uns damit etwas sagen wollte. Wahrscheinlich versuchte er, eine Spur zu seinem Mörder zu legen.«
    Ihr fiel das Durcheinander in der Werkstatt ein, die Unordnung auf dem Tisch. Was hatte Karl mit der ganzen Sache zu tun? Den verschlossenen Gesellen hätte sie durchaus lieber als Mörder gesehen als den eigenen Schwiegervater. Bleib ruhig, mahnte ihre innere Stimme, zieh nicht die falschen Schlüsse, Panik ist ein schlechter Ratgeber. Dennoch blieb der Verdacht, dass sich der Täter unter ihrem Dach befand, gleichgültig, wer es letztlich war.
    Delius sah sie scharf an. »Sebastian Rehm sprach in seinen Briefen nicht nur von Gift, sondern auch von einem unglaublichen Betrug. Es ging dabei um Schriftstücke. Ich bin hier, um diese Texte zu finden, bevor sie in falsche Hände geraten und eine Menge Unheil anrichten.«
    Ein kalter Schauer lief über ihren Rücken, und sie schüttelte sich. Sie umklammerte den Bettpfosten und zog sich langsam hoch. Wenn ich loslasse, dachte sie, falle ich auch in Ohnmacht.
    »Offensichtlich«, resümierte Delius, während er die Bleilettern einsammelte und wieder in seinem Ärmel verstaute, »bin ich nicht der Einzige, der von den Fälschungen erfahren hat. Ich befürchte, Euer Lehrling bezahlte für sein Wissen mit dem Leben.«
    Es war der geeignete Moment, ihm die Wahrheit anzuvertrauen. Christiane wusste dies ebenso sicher wie den Namendes Wochentags. Wahrscheinlich ahnte er es, denn sie spürte seinen Blick auf sich ruhen, obwohl sie die Augen gesenkt hielt. Doch sie zauderte, öffnete den Mund, schloss ihn wieder, setzte erneut zu sprechen an ...
    »Christiane«, wisperte Martha.
    »Ja, mein Liebes?« Sie wandte sich um, ergriff die Hand ihrer Cousine, die wie leblos auf der Matratze lag. Eben noch hatte Christiane geglaubt, zusammenbrechen zu müssen, nun strömte unendliche Kraft durch ihren Körper. Von der eigenen Last, die sie niederzudrücken gedroht hatte, spürte sie nichts mehr.
    »Mir schwindelt so«, brachte Martha unter größten Anstrengungen hervor, ihre Lider flatterten wieder, aber sie öffnete sie nicht. »Mich plagt Übelkeit«, sie versuchte, sich aufzurichten, doch Christiane drückte sie sanft in die Kissen zurück. »Ich glaube, ich muss mich erbrechen.«
    Rasch löste sich Christiane von Marthas Hand, sie schob Delius energisch beiseite und ging zum Waschtisch, um die Schüssel aufzuheben und sich das Leinentuch über den Arm zu werfen. Einen Moment später stand sie wieder neben Martha, schob ihr die Hand in den Nacken und hob sie leicht hoch.
    »Erleichtere dich, meine Liebe«, sagte sie, »es ist für alles gesorgt.« Dann warf sie einen Blick auf ihren Besucher und fügte mit einer Stimme hinzu, die keinen Widerspruch duldete: »Ihr solltet jetzt besser gehen.«
    »Ich warte draußen«, entschied er. »Falls Ihr nach einem Medicus schicken müsst, bin ich zur Stelle.«
    Natürlich, dachte Christiane und ärgerte sich gleichzeitig über die Bitterkeit, die durch ihre Gedanken strömte, Wolfgang Delius wird nicht

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