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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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Leseprobe die Möglichkeit zur Veröffentlichung zu geben. Warum aber war es ihm so wichtig, zu erfahren, wie es um den Gesundheitszustand eines Fremden stand, mit dem ihn nichts anderes verband als diverse Billetts? Egal, dachte sie, Sebastian ahnte, dass er sterben würde. Schlimmer noch, er schien zu wissen, dass ihm jemand nach dem Leben trachtete. »Es kann kein Zufall sein, dass ein Schriftsteller vergiftet, sein Druckerverlegerbald darauf erschlagen und dessen Lehrling schließlich erdrosselt wird«, fuhr Delius schonungslos fort. »Ich bin sicher, dass es zwischen diesen drei Todesfällen eine Verbindung gibt.«
    Gedankenverloren streichelte Christiane über Marthas Arme. Nur am Rande spürte sie das Beben im Körper der anderen. Die innere Erschütterung, die von Martha Besitz ergriffen hatte, schien mit einem unkontrollierbaren Zittern auf ihre Glieder überzugehen. Doch Christiane war viel zu sehr mit ihrer Erinnerung an Sebastian Rehms Ende und Delius’ verheerender Zusammenfassung beschäftigt, um bewusst zu registrieren, was mit Martha geschah. Deshalb nahm sie im ersten Augenblick nicht einmal wahr, wie der Leib unter ihren Händen langsam zusammenfiel. Erst als ihr Martha entglitt, spürte sie die Ohnmacht.
    »Vorsicht! Sie fällt!«, rief Delius und sprang auf. Dabei riss er den Stuhl um, auf dem er gesessen hatte, und das Möbel fiel mit lautem Krachen zu Boden.

29
    Martha fiel nicht einfach nur in gnädige Bewusstlosigkeit, sie erkrankte. Das von Christiane rasch herbeigeholte Fläschchen mit dem Riechsalz verschaffte ihr keine Linderung, auch Delius’ Allheilmittel half nichts, den dargebotenen Obstbrannt würgte sie wieder aus. Sie bewegte sich zwar ein wenig, ihre Lider flatterten, ihr Atem ging flach, doch sie schien so schwach, dass jeder Versuch, sie auf die eigenen Beine zu stellen, sinnlos war. Delius hob sie kurzerhand auf seine Arme.
    »Ihr hättet mehr auf meine Cousine Rücksicht nehmen müssen«, tadelte Christiane, als sie Delius mit einer Kerze den Weg in das obere Stockwerk wies. Eine Schuldzuweisung zuerteilen war allemal besser, als in Schwermut und Verzweiflung zu versinken. »Wie soll eine Frau es verkraften, mit brutaler Offenheit zu erfahren, dass ihr Mann einem Giftmord zum Opfer gefallen ist?«
    Eigentlich erwartete sie keine Antwort, und tatsächlich schwieg er auch, was sie jedoch überraschte, denn sie wertete sein Schweigen als Schuldanerkenntnis. Da er hinter ihr ging, konnte sie seine Mimik nicht erkennen. Schweigend ging sie voraus in ihre Schlafkammer. Sie hatte sich kurzfristig entschieden, Martha ihr eigenes Bett abzutreten, da in Marthas Zimmer der kleine Johannes schlief und sie annahm, dass die Mutter nichts so sehr wie Ruhe brauchte. Dummerweise hatte Martha die Kinderfrau nach dem Gespräch mit Titus und dem Zunftmeister fortgeschickt – eine Fehlentscheidung, befand Christiane, Sparen am falschen Ort. Hoffentlich war die Magd bereit, sich am Tag ein wenig um den Buben zu kümmern.
    »Versucht es mit einer Salbe aus kräftigem Branntwein«, schlug Delius vor, als er Martha in Christianes Kissen bettete. »Habt Ihr dergleichen im Haus? Wenn Ihr sie damit abreibt, sollte wieder Leben in ihren Körper kommen.«
    »Ihr wisst sehr viel«, bemerkte Christiane. Sie entsann sich seiner Kenntnisse als Geburtshelfer, die Martha schon einmal Rettung gebracht hatten. War das tatsächlich erst eine gute Woche her? Damals war ihr Wolfgang Delius selbstbewusst und freundlich erschienen, inzwischen empfand sie ihn ein wenig überheblich und ihr – zumindest heute Abend – feindlich gesinnt. Ich kann ihm nicht sagen, was er wissen will, dachte sie, ich muss erst herausfinden, wie alles zusammenhängt.
    »Ich gebe theologische Bücher heraus«, erwiderte er. »Der schwerkranke Martin Luther wurde mit einer Branntweinlösung eingerieben und war danach wieder ansprechbar. Ichhabe mein Wissen aus einer Biografie über den Reformator.«
    Er betrachtete Martha eine Weile lang nachdenklich, und Christiane glaubte, in seinem Mienenspiel lesen zu können: Sorge umschattete seine Züge, so blickte ein Vater seine kranke Tochter an – oder ein Mann die Frau, die er liebt, fuhr es ihr durch den Kopf. In Christiane stieg leiser Ärger auf. Wieso hatte Martha behauptet, der Verleger aus Frankfurt mache ihr, Christiane, schöne Augen? Die Sache lag völlig anders, und sie sollte froh darum sein. Er wäre ein guter Mann für Martha, ganz gewiss, einen besseren konnte sie sich für ihre

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