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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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etwas passiert?«, entfuhr es Martha in deutlich gesenktem Tonfall.
    Delius hob den Becher und betrachtete die beiden Cousinen über den Rand hinweg schweigend, bevor er ansetzte und einen Schluck trank. »Euer Gemahl ist ebenfalls gestorben«, sagte er dann ruhig und blickte Martha in die Augen.
    »Aber Sebastian Rehm starb an einer Krankheit!«, protestierte Christiane. Doch niemand im Raum nahm von ihr Notiz.
    »Er wurde vergiftet«, versetzte Delius und hielt Marthas Blicke weiterhin fest.
    Sebastian Rehms Witwe schüttelte eifrig den Kopf. »Nein, nein, meine Cousine sagte es Euch: Es war die schwarze Galle, die sein Leben beendete. Mein lieber Mann wurde vom Schicksal getötet, nicht von fremder Hand.«
    Verwirrung und Einsicht legten sich fast gleichzeitig auf die beiden Frauen. Martha schwieg betroffen, während in Christianes Geist sich die Räder wieder zu drehen begannen, die ihre Arbeit vor Schreck eingestellt zu haben schienen. Ihr fiel ein, in welch erbärmlichem Zustand sich Sebastian in den Wochen vor seinem Tod befunden hatte. Als er das letzte Mal zu Gast beim Meitinger gewesen war, hatte er sich kaum auf den Beinen halten können. Gewiss gab es Leiden, die den Erkrankten auf diese Weise zeichneten, aber sein Zustand war Christiane schon damals recht eigenartig vorgekommen. Werhatte ihrem Freund das angetan? Sebastian Rehm war stets gütig zu jedermann gewesen.
    Und doch hatte er sich dazu hinreißen lassen, Pamphlete gegen seine Überzeugung zu schreiben. Zumindest das schien durch Marthas Beobachtung bewiesen. Hatte Titus auch Sebastian auf dem Gewissen? Christiane konnte sich nicht entsinnen, ihren Schwiegervater jemals in Rehms alter Wohnung gesehen zu haben. War es möglich, dass er ihm die tödliche Dosis während der Besuche bei Severin eingeflößt hatte? Besaß ein alter, verzweifelter Mann, der seinen Sohn erschlug und seinen Lehrling erdrosselte, genug Mut und Ausdauer, einem anderen über eine längere Zeit Gift zu verabreichen und dem elenden Sterben zuzuschauen? Christiane schüttelte sich unter dem Schrecken, der über ihr lag wie eine schwarze Wolke.
    »Was hat Euer Gatte in den Wochen und Tagen vor seinem Tod zu sich genommen?«, drang Wolfgang Delius in Martha.
    Christiane wünschte, er würde ihre Cousine nicht weiter mit Fragen belästigen. Sie beobachtete die Veränderungen in Marthas Gesicht mit Sorge, die Farbe wich aus dem Antlitz ihrer Cousine, deren ohnehin stets blasse Haut aschfahl geworden war.
    Bevor sie ihn zurechtweisen konnte, antwortete Martha jedoch mit zitternder Stimme: »Meist aß Sebastian nur Salz und Brot. Wir hatten ohnehin wenig, aber wenn er arbeitete, nahm er kaum etwas zu sich. Martin Luther, sagte er, habe sich auch so ernährt, wenn er schrieb. Dazu trank er Wasser und manchmal ein wenig Bier.«
    Während Martha sprach, ging Christiane auf, dass der Verleger aus Frankfurt nicht bekannt mit ihrem Freund gewesen war. Delius hatte zwar einmal von einem Briefwechsel erzählt, aber er besaß kein Bild von Sebastian Rehm. Woher wusste der Fremde also besser als sie selbst, welcher Todesursacheder Dichter erlegen war? Es ist nur eine Vermutung, fuhr es ihr plötzlich durch den Kopf, er will Verwirrung stiften. Weiß der Himmel, warum er behauptet, Sebastian sei vergiftet worden – Wolfgang Delius ist der letzte Mensch auf der Welt, der darüber ernsthaft Bescheid wissen kann. Zu dumm, dass sie bereit gewesen war, ihm Glauben zu schenken. Sie hätte Martha von Anfang an besser vor den bösen Worten schützen müssen. Wie gemein, ihrer Cousine dermaßen zuzusetzen!
    »Papperlapapp!«, brach es aus Christiane heraus. »Das sind nichts anderes als schändliche Lügen. Sebastian Rehm ist an einer Krankheit gestorben. Wer behauptet, er sei vergiftet worden, gehört an den Pranger.«
    Delius maß sie mit einem unfreundlichen Blick. »Er selbst hat es behauptet.«
    »Was?«
    »Ich muss zugeben, dass ich Euch einen Teil des Schreibens, das mir Sebastian Rehm schickte, verschwiegen habe. Es war auch nicht nur ein Brief, der mich auf seine Geschichte aufmerksam werden ließ, sondern mehrere. Anfangs glaubte ich ihm nicht, doch dann wurden seine Worte drängender, und ich beschloss, der Sache nachzugehen. Er war überzeugt davon, vergiftet zu werden.«
    »Deshalb seid Ihr nach Augsburg gekommen«, hauchte Christiane fassungslos. Wolfgang Delius war also nicht der großmütige Verleger, der die weite Reise auf sich nahm, um einem unbekannten Autor aufgrund einer einzigen

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