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Die Hüterin des Schattenbergs

Die Hüterin des Schattenbergs

Titel: Die Hüterin des Schattenbergs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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weither zurück. »Ich gehe«, sagte sie, so entschlossen und endgültig, dass es Rik einen Stich versetzte.
    »Du gehst?«, fragte er vorsichtig.
    Sie nickte. »Jemand muss gehen, aber außer dir und mir ist niemand hier. Ich hatte gehofft, Corneus würde jemand anderen bestimmen, aber er ist nicht mehr unser Freund. W ir können ihm nicht mehr vertrauen, aber wir haben auch keine Zeit. Mit jedem A ugenblick, der verstreicht, geht mehr und mehr W issen verloren, das nicht verloren gehen darf. Ich habe keine W ahl. Ich muss gehen, um zu retten, was bewahrt werden muss.«
    Sie schaute Rik fest in die A ugen und zog die Phiole mit dem Schwarzkrallenwurz hervor. »Hilfst du mir?«, fragte sie. »Allein kann ich das nicht.«
    »Was muss ich tun?«
    »Du musst meine Hand halten, wenn ich das hier getrunken habe. Ganz gleich was auch passiert, du darfst mich nicht loslassen!« Jemina wirkte so verloren als sie das sagte, dass Rik sie am liebsten in die A rme geschlossen hätte. Sie fürchtete sich, das spürte er genau. Und obwohl er ihren Plan noch nicht genau kannte, hatte er plötzlich furchtbare A ngst, sie zu verlieren.
    »Du hast mir noch gar nicht gesagt, was in der Flasche ist.« Er schaute die Phiole argwöhnisch an. Die Farbe der Flüssigkeit gefiel ihm nicht.
    Jemina schaute ihn an und blickte dann zu Boden. Es war ihr deutlich anzusehen, wie sie mit sich rang. »Es ist Gift!«, gestand sie schließlich so leise, als hätte sie ihm das eigentlich verheimlichen wollen. »Wenn ich das trinke, werde ich sterben.« Sie stockte kurz, sprach dann aber weiter: »Ich werde in die Halle der A hnen gehen, die Hüter suchen und sie bitten, mir das W issen für den Neunten Zirkel zu übertragen. W enn ich gefunden habe, wonach ich suche, werde ich wieder zu dir zurückkehren … irgendwie – hoffe ich.«
    Sie atmete tief ein, wie um ihre A ufregung und Furcht zu überdecken, und fügte fast trotzig hinzu: »So steht es im Buch des Lebens geschrieben. Ich werde zurückkehren, solange du nur meine Hand hältst.«

    »Was hast du mit ihm vor?« Mit einem Kopfnicken deutete Ulves auf den hölzernen V erschlag, in dem Jordi in gekrümmter Haltung auf dem Fußboden lag und schlief. Der übergroße, grob zusammengezimmerte Käfig war an der lichtlosen Rückseite des Laboratoriums errichtet worden, um jene Lebewesen aufzunehmen, die Corneus für seine V ersuche benötigte. Er war so hoch, dass ein Mann aufrecht darin stehen konnte und so lang, das man mehr als zehn Schritte machen musste, um ihn einmal zu umrunden. Der schmächtige Junge wirkte darin seltsam verloren.
    »Na was schon? Ich töte ihn.« Corneus blickte nicht von seinem T un auf, während er sprach. Er saß an einem langen T isch, nicht weit von dem V erschlag entfernt und zerkleinerte etwas in einem Mörser, das Ulves auf unangenehme W eise an blutige Eingeweide erinnerte. Dann und wann nahm Corneus mit den Fingerspitzen einige getrocknete Pilze, die auf dem T isch bereitlagen, und fügte sie zu der sämigen Masse.
    »Das war mir schon klar«, meinte Ulves. »Ich frage mich nur, warum du ihn nicht sofort hast töten lassen.«
    »Er wird die Magie, die die Schatten vernichtet, in den Schattenberg tragen, wenn es so weit ist«, erklärte Corneus. »Es ist der einzige W eg, die Schatten zu erreichen.«
    »Ah.« Ulves nickte. Nur wenige wussten um die Beschaffenheit des Zaubers im Schattenberg. Die meisten ahnten nicht, dass sich die dunkle und die helle Seite ihrer Seele nach dem T od wieder vereinten, um dann gemeinsam in die Halle der A hnen aufzusteigen.
    Da es der dunklen Seite unmöglich war, den Schattenberg zu verlassen, strebte die helle Seite der Seele unmittelbar nach dem T od des Menschen dorthin, durchdrang den Fels und die magischen Barrieren, die Orekh im Felsgestein verankert hatte, und verschmolz im Innern des Berges mit ihrem finsteren Bruder. Derart verändert konnte die Seele den Berg dann ungehindert verlassen und ihre Reise in die Ewigkeit antreten.
    »Nun verstehe ich auch, warum du zu diesem Zweck keinen der Unreinen aus den Lagern holen lässt«, meinte Ulves. »Aber wäre nicht jeder andere reine Selkete ebenso wie der Junge für die A ufgabe geeignet?«
    »Du glaubst doch nicht, dass ich mich nur auf einen einzigen Boten verlasse.« Corneus schüttelte den Kopf. »Der Zauber muss gleich beim ersten Schlag alle Schatten töten. Gelingt dies nicht, kann es passieren, dass die anderen gegen die Magie gefeit sind. Das darf auf keinen Fall

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