Die Hüterin des Schattenbergs
hatte. »Dann entlasse ich euch jetzt, mit der Bitte, euch bereitzuhalten. Ich möchte, dass ihr zugegen seid, wenn wir mit Hilfe der jungen Hüter«, er zwinkerte Jemina spöttisch zu, »den letzten entscheidenden Schlag gegen die Schatten führen.«
Jemina ballte die Fäuste. Es war ihr gelungen, bis zu dem Glaszylinder vorzudringen, aber sie war ihrem Ziel damit noch kein Stück näher gekommen. Obwohl der Zylinder zum Greifen nahe vor ihr stand, wusste sie nicht, wie sie etwas zerstören sollte, das so groß und mächtig war. Sie hatte weder einen Hammer noch ein anderes W erkzeug bei sich, mit dem sie das Glas einschlagen konnte. Sie hatte nichts … Sie hatte versagt.
12
N iedergeschlagen beobachtete Jemina, wie die Ratsmitglieder den Raum verließen. Elaries, der als einer der Letzten hinausging, warf ihr einen kurzen, entschuldigenden Blick zu. Dann war er fort.
Jemina und Rik wollten ihm folgen, da schnitt Corneus’ Stimme wie ein Peitschenhieb durch den Raum: »Ihr bleibt hier! W ir haben noch etwas zu besprechen.« Der Meistermagier gab Ulves ein Zeichen, die T ür zu schließen und sagte: »Ihr habt etwas, das mir gehört.« Seine Stimme wurde schärfer, als er Jemina direkt anschaute: »Oder sollte ich besser sagen: Du hast etwas, das mir gehört.« Er kam näher, baute sich vor Jemina auf, steckte die Hand aus und forderte: »Gib mir das Buch!«
»Welches Buch?« Jemina versuchte, Zeit zu gewinnen.
»Stell dich nicht dümmer als du bist, Mädchen.« Die Ungeduld in Corneus’ Stimme war nicht zu überhören. »Salvias hat mir alles erzählt. Du bist im Besitz vor Orekhs Zauberbuch, das zu bringen du mir versprochen hast. A lso, her damit.«
»Ich habe kein Buch dabei.« Jemina breitete die geöffneten Hände aus, um ihre W orte zu unterstreichen.
»Das Buch hast du nicht bei dir, das ist wahr. A ber du trägst den Stein, in den das Buch verwandelt wurde, in diesem Moment bei dir.« Corneus grinste.
Jemina erbleichte. W ie konnte Corneus das wissen? »Ich …«
»Versuche nicht, es abzustreiten«, fiel Corneus ihr ins W ort. »Ich spüre die mächtige A ura der Magie, die den Stein umgibt. Er ist dort in deiner T asche«, er deutete auf Jeminas Gewand. »Gibst du ihn mir nun freiwillig oder …«, er hob die Hand auf eine W eise, die deutlich machte, dass er nicht zögern würde, einen Zauber einzusetzen, um Jeminas W iderstand zu brechen, »… muss ich dich erst zwingen?«
Zögernd griff Jemina in die T asche, holte den Stein hervor und zeigte ihn Corneus. »Da ist er«, sagte sie tonlos.
Corneus A ugen leuchteten, als er den Stein erblickte. Er trat auf Jemina zu, um ihr den Stein aus der Hand zu nehmen.
»Das würde ich besser nicht tun!« Jemina presste den Stein an sich und wich zurück. »Das Buch kann nur verschenkt werden. Es muss freiwillig hergegeben werden. So haben die W ächter der Hohen Feste es bestimmt. Sollte mir der Stein gewaltsam abgenommen werden, erlischt die Magie«, log sie. »Dann ist er nur noch ein gewöhnlicher Stein und das Buch des Lebens für immer verloren.« Obwohl sie innerlich vor A ngst zitterte, gelang ihr ein Lächeln. »Die W ächter der Feste wollten wohl verhindern, dass das Buch in falsche Hände gerät.«
»Du lügst.« Den harschen W orten zum T rotz blieb Corneus stehen und bedrängte Jemina nicht weiter. Sein A tem ging schnell. Die hochroten W angen glühten und er rang mit den Händen.
»Ich bin eine Reine«, stellte Jemina kühl und sachlich fest. »Ich kann nicht lügen.«
»Und doch hast du es getan.« Corneus schnaubte verächtlich. »Oder war die W eihezeremonie etwa keine Lüge?«
»Alles ist so geschehen, wie ich es gesagt habe«, behauptete Jemina mit fester Stimme. »Mag sein, dass ich bei der Zeremonie versagt habe. Gelogen habe ich nicht.«
»Wie auch immer.« Corneus keuchte und machte eine ungeduldige Handbewegung. »Was verlangst du?«
»Freiheit für mich und meine Freunde.« Jemina zögerte nicht. »Lasst die Hüter des Neunten Zirkels frei und gebt mir Euer W ort, dass ihnen auch in Zukunft kein Leid geschehen wird.«
»Das ist ein hoher Preis.«
»Es ist ja auch ein wertvolles Buch.«
»Noch habe ich das Buch nicht gesehen.« Corneus Stimme war fast wieder so ruhig, als hätte es den A ugenblick der Schwäche und Unsicherheit nicht gegeben. »Wer sagt mir, dass sich hinter diesem Stein wirklich das Buch des Lebens verbirgt?«
»Ich.« Jemina straffte sich.
»Das genügt mir nicht.«
Jemina spürte, dass Corneus
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