Die Huette
Reifen sich knirschend ihren Weg durch eine immer dicker werdende Schicht aus Schnee und Eis bahnten. Obwohl er sich ein paar Mal verfahren hatte, war es erst früher Nachmittag, als Mack schließlich an dem kaum noch erkennbaren Pfad ankam und den Jeep parkte.
Fast fünf Minuten blieb er im Wagen sitzen und tadelte sich dafür, dass er sich so zum Narren machte. Mit jeder Meile, die er seit Joseph zurückgelegt hatte, pulsierte das Adrenalin stärker in ihm und ließ alle Erinnerungen kristallklar zurückkehren. Im Geiste war er sich jetzt absolut sicher, dass er auf der Stelle kehrtmachen wollte. Aber da war ein innerer Zwang, dem er nichts entgegenzusetzen hatte. Während er noch mit sich rang, hatte er bereits die Jacke zugeknöpft und seine Lederhandschuhe angezogen.
Mack stieg aus und starrte auf den Pfad. Bis hinunter zum See war es ungefähr eine Meile. Er entschied, erst einmal sein ganzes Gepäck im Jeep zu lassen. Dann würde er später nichts wieder hinaufschleppen müssen, wenn er, wovon er nun ausging, schon nach kurzer Zeit zum Wagen zurückkehrte, um wieder von diesem Ort zu verschwinden. Es war kalt genug, dass sein Atem rings um ihn kondensierte. Möglicherweise würde es bald schneien. Der Schmerz, der sich in seinem Magen aufgebaut hatte, versetzte ihn plötzlich in Panik. Nach wenigen Schritten blieb er stehen und musste sich so stark übergeben, dass er auf die Knie sank.
»Bitte hilf mir!«, stöhnte er. Mit zitternden Beinen stand er wieder auf und entfernte sich einen weiteren Schritt von dem Jeep. Dann blieb er stehen und ging zurück. Er öffnete die Beifahrertür und tastete auf dem Sitz herum, bis er die kleine Blechdose fand. Darin befand sich, wonach er gesucht hatte: sein Lieblingsfoto von Missy. Er nahm es zusammen mit dem Brief heraus, schloss den Deckel wieder und legte die Dose zurück auf den Sitz. Einen Moment zögerte er und blickte auf das Handschuhfach. Schließlich öffnete er es und nahm Willies Pistole. Er überprüfte, ob sie geladen und gesichert war. Er schlug den Mantel zurück und steckte sich die Pistole hinter seinem Rücken in den Gürtel. Nun drehte er sich um und richtete seinen Blick wieder auf den Pfad. Er warf noch einen letzten Blick auf Missys Foto und steckte es dann mit dem Brief in die Brusttasche seines Hemdes. Falls man ihn später tot fand, würden sie zumindest wissen, warum er hierher gefahren war.
Der Pfad war tückisch, die von Eis überzogenen Steine glatt. Jeder Schritt seines Abstiegs in den Wald erforderte volle Konzentration. Es herrschte eine unheimliche Stille. Er hörte nur das Knirschen seiner Schritte im Schnee und seine schweren Atemzüge. Mack beschlich das Gefühl, dass ihn jemand beobachtete, und einmal wirbelte er sogar herum, um zu sehen, ob ihm jemand folgte. Aber so sehr es ihn drängte, zum Jeep zurückzulaufen, seine Füße schienen einen eigenen Willen zu haben, fest entschlossen, dem Pfad zu folgen, immer tiefer in den dichter und dunkler werdenden Wald.
Plötzlich bemerkte Mack dicht bei sich eine Bewegung. Er erstarrte. Mit klopfendem Herzen und trockenem Mund griff er nach hinten und zog die Pistole aus dem Gürtel. Er entsicherte sie und starrte in das dichte Unterholz. Doch er sah nichts und hörte auch nichts mehr. Was immer sich dort bewegt hatte, verharrte nun reglos. Wartete es auf ihn? Vorsichtshalber blieb er ein paar Minuten unbeweglich stehen, ehe er seinen Weg fortsetzte und sich bemühte, dabei so leise wie möglich zu sein.
Der Wald schien ihn regelrecht einzuschließen, und er fragte sich, ob er den falschen Pfad genommen hatte. Aus den Augenwinkeln sah er erneut eine Bewegung. Sofort duckte er sich hinter einen Baum und spähte durch die Zweige. Etwas Geisterhaftes, wie ein Schatten, glitt durchs Unterholz. Oder hatte Mack sich das nur eingebildet? Wieder wartete er, ohne sich zu rühren. War das Gott? Er bezweifelte es. Vielleicht ein Tier? Er wusste nicht, ob es hier oben Wölfe gab, und Hirsche hätten mehr Geräusche verursacht. Und dann kam der Gedanke, den er bisher vermieden hatte: Was, wenn er tatsächlich hierher gelockt worden war? Aber aus welchem Grund?
Langsam wagte sich Mack aus seiner Deckung und machte, die Pistole immer noch im Anschlag, einen Schritt vorwärts. Plötzlich schien es, als würde hinter ihm das Gebüsch explodieren. Mack wirbelte herum, voller Angst und bereit, um sein Leben zu kämpfen. Aber ehe er abdrücken konnte, sah er einen Dachs den Pfad hinaufflüchten. Mack
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