Die Huette
Augen.
Mack ignorierte Willies Ausbruch und ging durch das Haus zurück in sein Arbeitszimmer. Dort holte er die Reserveschlüssel seines Wagens, und nach kurzem Zögern nahm er auch die kleine Blechdose mit. Dann ging er zurück nach draußen zu Willie.
»Und, was glaubst du, wie er aussieht?«, fragte Willie mit einem schiefen Lachen.
»Wer?«
»Gott natürlich. Was glaubst du, wie er aussieht, falls er sich überhaupt die Mühe macht, dir zu erscheinen? Ich stelle mir gerade vor, wie du einen armen Wanderer zu Tode erschreckst, indem du ihn fragst, ob er Gott ist, und dann Antworten von ihm verlangst.«
Mack musste bei dem Gedanken grinsen. »Ich weiß nicht. Vielleicht ist er wirklich ein helles Licht oder ein brennender Busch. Ich habe ihn mir immer als wirklich großen Großvater vorgestellt, mit langem, wallendem Bart, so wie Gandalf in Tolkiens Herr der Ringe.«
Er zuckte die Achseln und gab Willie die Autoschlüssel. Dann umarmten sie sich kurz. Willie stieg in Macks Wagen und kurbelte das Seitenfenster herunter.
»Also, wenn er sich blicken lässt, bestell ihm einen schönen Gruß von mir«, sagte Willie lächelnd. »Sag ihm, dass ich auch ein paar Fragen an ihn hätte. Und, Mack, mach ihn nicht wütend.« Sie mussten beide lachen. »Im Ernst«, fuhr Willie fort, »ich mache mir Sorgen um dich, Kumpel. Ich wünschte, ich dürfte mitkommen, oder Nan oder sonst irgendjemand. Ich hoffe, du findest da oben alle Antworten, die du brauchst. Ich werde für dich beten.«
»Danke, Willie, ich liebe dich auch.« Er winkte, als Willie davonfuhr. Mack wusste, dass sein Freund Wort halten würde. Und Mack würde vermutlich jedes Gebet gebrauchen können, das für ihn gesprochen wurde.
Als Willie außer Sichtweite war, zog Mack den Brief aus der Tasche, las ihn noch einmal und legte ihn dann in die kleine Blechdose, die er zwischen anderem Gepäck auf dem Beifahrersitz verstaute. Dann verriegelte er die Türen des Jeeps und ging zurück ins Haus, wo er eine schlaflose Nacht verbrachte.
* * *
Vor Tagesanbruch am Freitagmorgen hatte Mack die Stadt bereits verlassen und fuhr auf der Interstate 84. Nan hatte am Abend von ihrer Schwester aus angerufen, um ihn wissen zu lassen, dass sie wohlbehalten dort eingetroffen waren. Vor Sonntag rechnete er nicht mit einem weiteren Anruf von ihr. Bis dahin befand er sich höchstwahrscheinlich auf dem Rückweg oder war sogar schon wieder zu Hause.
Er ließ die Festnetzanrufe auf sein Handy umleiten, nur für den Fall. Doch im Naturreservat gab es ohnehin keinen Handyempfang.
Er fuhr die gleiche Strecke wie vor dreieinhalb Jahren, mit ein paar kleinen Unterschieden: weniger Toilettenpausen, und an Multnomah Falls fuhr er vorbei, ohne einen Blick zu riskieren. Seit Missys Verschwinden hatte er diesen Ort aus seinem Gedächtnis verbannt.
Auf der langen Fahrt durch die »Gorge« befiel ihn schleichend eine immer größere Panik. Er hatte es vermieden, darüber nachzudenken, was er hier eigentlich tat, sondern immer nur automatisch einen Fuß vor den anderen gesetzt, aber wie Gras, das durch Asphalt bricht, drängten die unterdrückten Gefühle und Ängste wieder an die Oberfläche. An jeder Ausfahrt umklammerten seine Hände das Lenkrad, und er kämpfte gegen die Versuchung an, umzukehren und nach Hause zu fahren. Er wusste, dass er geradewegs ins Zentrum seines Schmerzes fuhr, in den Strudel der Großen Traurigkeit, die ihm so viel von seiner Lebendigkeit genommen hatte. Visuelle Erinnerungen und quälende Augenblicke rasender Wut durchzuckten ihn, und in seinem Mund sammelte sich der Geschmack von Galle und Blut.
Schließlich erreichte er La Grande, wo er auftankte, um dann den Highway 82 nach Joseph zu nehmen. Dort war er versucht, Tommy einen Besuch abzustatten, entschied sich aber dagegen. Je weniger Leute ihn für einen durchgeknallten Irren hielten, desto besser. Stattdessen füllte er nur den Tank auf und machte sich wieder aus dem Staub.
Es herrschte nur wenig Verkehr. Die Luft war viel wärmer, als er erwartet hatte, und der Imnaha und die Nebenstraßen präsentierten sich für diese Jahreszeit bemerkenswert frei und trocken. Aber je weiter er fuhr, desto langsamer schien er vorwärtszukommen, als ob die Hütte sich gegen seinen Besuch wehrte. Die letzten Meilen bis zu dem Fußpfad, der hinunter zur Hütte führte, lagen jenseits der Schneegrenze. Während der Jeep die steilen Serpentinen bezwang, hörte Mack über das heulende Motorengeräusch hinweg, wie die
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