Die Huette
war verwirrend, überwältigend und unglaublich schön.
»Von oben gesehen ist es ein Fraktal«, sagte Sarayu über ihre Schulter hinweg, mit spürbarem Wohlgefallen.
»Ein was?«, fragte Mack geistesabwesend. Er war vollauf damit beschäftigt, dieses wilde Chaos von Farbe, Licht und Schatten geistig zu bewältigen. Jeder Schritt, den er in dem Garten tat, veränderte alle Muster, die er im Augenblick zuvor erblickt hatte, sodass er das Gefühl hatte, jedes Mal alles völlig neu zu sehen.
»Ein Fraktal ... etwas, das einfach und geordnet wirkt, aber eigentlich aus einer wiederkehrenden Folge von Mustern besteht und nahezu unendlich komplex ist. Ich liebe Fraktale, und deshalb verwende ich sie überall.«
»Für mich sieht es wie ein ziemliches Durcheinander aus«, stöhnte Mack.
Sarayu blieb stehen und drehte sich mit leuchtenden Augen zu ihm um. »Mack! Danke! Was für ein wunderschönes Kompliment!« Sie blickte im Garten umher. »Genau das ist es - ein Durcheinander. Aber«, sie schaute wieder Mack an und lächelte strahlend, »es ist trotzdem auch ein Fraktal.«
Sarayu ging zielstrebig zu einem bestimmten Kraut, pflückte ein paar Blätter davon und drehte sich zu Mack um.
»Hier«, sagte sie, und ihre Stimme klang wie Musik. »Papas Warnung beim Frühstück war durchaus ernst gemeint. Es ist besser, wenn du etwas von diesem Kraut kaust. Das neutralisiert die treibende Wirkung des Gemüses, von dem du vorhin viel zu viel gegessen hast, wenn du verstehst, was ich meine.«
Mack lachte leise, während er die angebotenen Blätter annahm und darauf herumkaute. »Oh ja, aber dieses Gemüse schmeckte einfach so gut! Da konnte ich nicht widerstehen.« Sein Magen hatte zu rumoren begonnen, und diese verwirrende grüne Wildnis, in die er nun mitten hineingetreten war, verstärkte das beginnende leichte Unwohlsein zusätzlich. Das Kraut war wohlschmeckend: ein Hauch von Minze und Nuancen anderer Gewürze, die er vermutlich schon einmal gerochen hatte, aber nicht identifizieren konnte. Rasch ließ das Rumoren in seinem Magen nach, und Macks innere Anspannung, der er sich gar nicht bewusst gewesen war, verschwand.
Schweigend versuchte er Sarayu zu folgen, die hierhin und dorthin eilte, doch die Vielfalt der Farben lenkte ihn immer wieder ab Johannisbeerrot und Zinnoberrot, Mandarinengelb und Grüngelb gemischt mit Platingrau und Pink und dazu zahllose Grün- und Brauntöne. Das alles war betörend und berauschend.
Sarayu konzentrierte sich immer völlig auf das, was sie gerade tat.
Aber wie ihr Name schwebte sie luftig wie ein zarter Wirbelwind umher, und Mack wusste nie genau, wohin sie gerade wehte. Es fiel ihm schwer, mit ihr Schritt zu halten, ganz ähnlich, wie wenn er Nan in einem Supermarkt zu folgen versuchte.
Sarayu zupfte hier und da ein paar Blüten und Kräuter ab und gab sie Mack, der sie dann tragen sollte. Dieses mit leichter Hand improvisierte Bouquet wurde ziemlich groß und erzeugte ein intensives, geradezu betäubendes Duftgemisch. Derartig aromatische Kräuter hatte Mack noch nie gerochen. Sie dufteten so stark, dass er beinahe ihren Geschmack auf der Zunge zu spüren glaubte.
Sie brachten das Bouquet in ein kleines Gartenhaus, das Mack zunächst gar nicht bemerkt hatte, weil es völlig hinter einem Dickicht aus Weinreben und anderen Rankpflanzen verborgen lag.
»Eine Arbeit ist erledigt«, verkündete Sarayu, »und jetzt folgt gleich die nächste.« Sie reichte Mack Schaufel, Harke, Sense und ein Paar Handschuhe und schwebte aus dem Gartenhaus zu einem besonders zugewachsenen Pfad, der offenbar zum anderen Ende des Gartens führte. Unterwegs hielt sie gelegentlich inne, um eine Pflanze oder Blume zu berühren, während sie jene ergreifende Melodie summte, die Mack schon am Abend zuvor gehört hatte. Er folgte ihr gehorsam, trug die Werkzeuge und versuchte, Sarayu nicht aus den Augen zu verlieren, während er gleichzeitig die Pracht des Gartens bestaunte.
Als sie stehen blieb, wäre Mack fast gegen sie gelaufen. Irgendwie hatte sie ihr Äußeres verändert: Sie trug jetzt Arbeitskleidung, eine mit wilden Mustern verzierte Jeans, ein Arbeitshemd und Handschuhe. Die Umgebung, in der sie sich nun befanden, erinnerte an eine kleine Obstplantage, aber nicht wirklich. Jedenfalls war diese Stelle an drei Seiten von Pfirsich- und Kirschbäumen gesäumt, und in der Mitte befand sich eine Reihe violett und gelb blühender Sträucher, deren Schönheit ihm schier den Atem raubte.
»Mackenzie.« Sie
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