Die Huette
fingen sie beide an zu lachen. Papa wandte sich Mack zu und sang: »Mag deine Kette auch golden sein, sie bindet dir dennoch das Bein.«
»Lass dich nicht von den bei den veräppeln«, unterbrach Sarayu und legte ihm die Hand auf den Arm, um ihn zu trösten und zu beruhigen. »Sie spielen nur mit dir. Ich will dir aber gern etwas dazu erklären. «
Mack nickte, erleichtert, aber etwas ärgerlich auf sich selbst, weil er sich erneut hatte aus der Fassung bringen lassen.
»Mackenzie, es gibt unter uns kein Konzept einer obersten Autorität, nur Einssein. Unsere Beziehung ist ein Kreis, keine Befehlskette oder >Kette des Seins<, wie deine Vorfahren es zu nennen pflegten. Was du hier erlebst, ist eine Beziehung ohne Machtspiele. Wir müssen keine Macht über den anderen ausüben, weil wir stets nur das Beste wollen. Hierarchie würde für uns keinen Sinn ergeben. Das mag für dich ein Problem sein, für uns nicht.«
»Wirklich? Warum ist das so?«
»Die Menschen sind so verloren und geschädigt. Darum ist es für euch fast unvorstellbar, dass Leute zusammenleben oder zusammenarbeiten können, ohne dass jemand Macht über andere ausübt.«
»Aber jede menschliche Institution, von der Politik über das Geschäftsleben bis hin zur Ehe, wird von dieser Art zu denken bestimmt. Die ganze Struktur unserer Gesellschaft basiert darauf«, sagte Mack.
»Was für eine Verschwendung! «, rief Papa, nahm den leeren Teller und ging damit zur Küche.
»Das ist einer der Gründe dafür, dass es euch so schwerfällt, wirklich glückliche Beziehungen aufzubauen«, setzte Jesus hinzu. »Habt ihr einmal eine Hierarchie geschaffen, braucht ihr Regeln, um sie zu schützen und zu verwalten, und dann braucht ihr Gesetze und die gewaltsame Durchsetzung dieser Regeln, und damit endet ihr mit einer Befehlskette oder einem Ordnungssystem, das gesunde Beziehungen zerstört, statt sie zu fördern. Nur ganz selten erlebt ihr Beziehungen, in denen Macht keine Rolle spielt. Die Hierarchie bringt Gesetze und Regeln hervor, und als Folge davon entgeht euch das Wunder der Beziehung, wie wir sie für euch vorgesehen hatten.«
»Aber wir haben uns ziemlich gut daran angepasst«, sagte Mack sarkastisch.
Darauf erntete er eine rasche Erwiderung von Sarayu: »Verwechsle Anpassung nicht mit Absicht oder Versuchung mit Realität.«
»Das heißt also, hm, könnte ich bitte noch etwas von diesem Gemüse bekommen? Das heißt also, wir wurden dazu verführt, uns derartig auf Fragen der Autorität zu fixieren?«
»In gewissem Sinne ja!«, antwortete Papa, die Mack die Platte mit dem Gemüse reichte und sie erst wieder wegnahm, als er sich zweimal davon genommen hatte. »Ich sorge eben gut für dich, mein Sohn.«
Sarayu fuhr fort: »Wenn ihr Unabhängigkeit dem Eingehen von Beziehungen vorzieht, werdet ihr zur Gefahr für euch selbst und andere. Dann manipuliert ihr andere Menschen um eures eigenen Glückes willen. Autorität, wie ihr sie euch gemeinhin vorstellt, ist bloß eine Entschuldigung, welche die Starken benutzen, um den Schwachen ihren Willen aufzuzwingen.«
»Ist Autorität denn nicht hilfreich, um Menschen davon abzuhalten, sich endlos gegenseitig zu bekämpfen oder verletzt zu werden?« »Manchmal. Aber in einer selbstsüchtigen Welt wird Macht eben auch dafür benutzt, großen Schaden anzurichten.«
»Aber kann man sie denn nicht dazu nutzen, das Böse in die Schranken zu weisen?«
»Wir respektieren alle eure Entscheidungen, daher arbeiten wir innerhalb eurer Systeme. Aber unser Ziel ist es, euch aus diesen Systemen zu befreien«, fuhr Papa fort. »Die Schöpfung hat einen Weg eingeschlagen, der ganz anders ist, als wir es uns gewünscht haben. In eurer Welt wird der Wert des Individuums ständig gegen das Überleben des Systems abgewogen, sei es nun politisch, ökonomisch, sozial oder religiös - das gilt für jedes eurer Systeme. Erst wird ein Mensch, dann werden ein paar und schließlich sogar viele für das Gute und den Fortbestand des Systems geopfert. In der einen oder anderen Form liegt das jedem eurer Machtkämpfe zugrunde, jedem Vorurteil, jedem Krieg und jedem Missbrauch einer Beziehung. Das >Streben nach Macht und Unabhängigkeit< ist so weit verbreitet, dass ihr es heute als normal anseht.«
»Ist es das denn nicht?«
»Es ist das menschliche Paradigma«, fügte Papa hinzu, die mit noch mehr Essen zurückkehrte, »es ist wie das Wasser für den Fisch, so allgegenwärtig, dass ihr es gar nicht mehr bemerkt oder infrage stellt.
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