Die Hure Babylon
gebracht und in den Dienst der jungen Erbin Ermengarda geführt hatte, gerade als sie gegen ihren Willen mit dem Grafen Alfons von Tolosa hatte verheiratet werden sollen. Ein abgekartetes Spiel, das dem Grafen das reiche Narbona als Mitgift, der ehrgeizigen Stiefmutter die Regentschaft und dem Erzbischof weitere Reichtümer und Ländereien eingebracht hätte. Doch Ermengardas wilde Flucht hatte ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wie eine Verbrecherin war sie verfolgt und gejagt worden. Felipe, Raimon, Severin und er hatten sie beschützt, nicht zu vergessen Bruder Aimar. Gegen alle Schwierigkeiten und Gefahren hatten sie zusammengehalten und Ermengarda geholfen, den väterlichen Thron zu erringen.
Damals, in der Einsamkeit und Wildnis der Berge, als alles verloren schien, hatte ihre heimliche Liebe begonnen. Fast ein Wunder, dass ausgerechnet er, der Sohn eines unbedeutenden Barons aus der Corbieras, die Zuneigung dieser klugen Fürstentochter hatte erringen können. Nun war sie Herrscherin über Narbona. Er selbst gehörte zu ihren engsten Beratern, war zum Kriegsherrn der Narbonenser Soldaten und ersten Ritter ihrer Turniere aufgestiegen. Sollte er sich da nicht wie Fortunas Liebling fühlen?
Vielleicht war es die Heimlichtuerei, die ihn ärgerte. Nie würde er sich öffentlich zu ihr bekennen, niemals sie als Braut nach Rocafort führen dürfen. Und auch wenn Ermengardas Ehe nur zum Schein bestand, so nagte es an ihm, dass sie aus Sicht der Kirche Ehebruch begingen. Doch immer, wenn er darüber sprach, wollte sie nichts davon wissen.
Ländereien und schöne Pferde hatte sie ihm geschenkt, an ihrer Tafel hatte er meist den Ehrenplatz. Aber er war ein junger Mann voller Tatendrang und fühlte sich manchmal unruhig wie ein Vogel im Käfig. Nur in Ermengardas Ratsversammlung zu sitzen und alten Männern zuzuhören war ihm nicht genug. Manchmal reizte ihn der Gedanke, einfach seinen Gaul zu satteln und neuen Abenteuern entgegenzureiten. Doch wie konnte er jemals Ermengarda verlassen?
Arnaut ahnte, dass seinem Leben eine Richtung fehlte. Onkel Raol schien seinen Platz in der Welt gefunden zu haben. Hier auf Rocafort führte er zwar ein einfaches Leben, aber als Kastellan trug er die Verantwortung für die gesamte
familia,
für Verwandte, Gesinde, Handwerker, Bauern und Kriegsknechte. Er war sein eigener Herr und außer Gott niemandem Rechenschaft schuldig. Arnaut würde ihn zweifellos eines Tages beerben. Aber war das seine Bestimmung? Oder gab es mehr?
Im Pferdestall der Vorburg half er Jori, seinem Pferd den Sattel abzunehmen, es trockenzureiben und mit frischem Heu zu versorgen. Der Wallach hieß Basil. Ein ruhiges, verlässliches Tier, ausdauernd und von kräftiger Statur. Arnaut strich ihm liebevoll über die Flanken, während er dem Jungen erzählte, was sich auf dem Berg zugetragen hatte.
Da bemerkte er einen der Hundeführer, der sich verlegen am Torpfosten des Stalls herumdrückte. Ein junger Bursche in Joris Alter. Aber wo Jori dunkelhaarig war, hing diesem eine struppige, rothaarige Mähne in das von Sommersprossen übersäte Gesicht.
»Was willst du?«, fragte Arnaut nicht unfreundlich.
»Escusa, Senher«,
kam die schüchterne Antwort. »Ich habe gehört, was der Kastellan gesagt hat. Dass Ihr ins Heilige Land ziehen wollt.«
Was faselte alle Welt vom Heiligen Land? Voller Unmut zogen sich Arnauts Brauen zusammen.
»Und?«, erwiderte er gereizt. »Was hat das mit dir zu tun?«
»Ich würde gern mitkommen«, sagte der Bursche und fügte rasch hinzu: »Ich kann mit Pferden umgehen, Herr, und meine Mutter hat mich Kochen und Flicken gelehrt. Ich will Euch ein guter Knecht sein. Außerdem habe ich Bogenschießen gelernt.«
»Du willst dein Dorf und deine Mutter im Stich lassen?«
»Sie ist gestorben. Ich habe sonst niemanden.«
»Mit Hunden scheinst du dich ja auszukennen.«
»Ja, Herr.« Hoffnung glomm in den hellen Augen auf.
Der Bursche hatte ein offenes, ehrliches Gesicht und Arnaut begann, ihn zu mögen.
»Ich muss dich enttäuschen. Ich habe keinesfalls vor, das Kreuz zu nehmen. Also schlag es dir aus dem Kopf.«
»Ach, Herr«, bettelte der Junge. »Es ist mir gleich, wohin es geht. Wenn Ihr mich nur mitnehmt.«
Arnaut musste schmunzeln. Dem Burschen schien es ganz wie ihm selbst zu gehen.
»Hast du etwas ausgefressen, dass du fortwillst?«
»Nein, ich schwör’s. Ich würd nur gern die Welt sehen.« Er warf Jori einen hilfesuchenden Blick zu.
Der sprang ihm bei. »Bei
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