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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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der Küche herauf und stellte Becher und eine Karaffe Wein auf den Tisch. Ein lebhaftes Feuer loderte im Kamin, doch die gedrückte Stimmung, die auf allen lastete, war zum Greifen spürbar.
    La Cosiniera,
wie Cortesa von allen nicht ohne Ehrfurcht genannt wurde, war für Arnaut wie die Großmutter, die er nie gekannt hatte. Sie war die heimliche Herrscherin der Burg, die darauf achtete, dass alles seinen geordneten Gang nahm. Obwohl ihre Hüften in den letzten Jahren an Umfang gewonnen hatten, führte sie wie eh und je den Haushalt mit scharfer Zunge und eiserner Hand, und das so gut, dass selbst
Domna
Adela sie gewähren ließ.
    Arnaut eilte an ihre Seite und küsste sie auf die Wange.
    »Wie geht es ihm?«
    Cortesas Augen füllten sich mit Tränen. »Er hat die Nacht kaum geschlafen. Der Husten macht ihm zu schaffen, und das Fieber ist wieder gestiegen.« Mit einer hilflosen Geste fuhr sie sich über das ergraute Haar. »Er ist so schwach geworden …«
    Sie sah übernächtigt aus und wirkte abgekämpft, mutlos. Arnaut erschrak. So kannte er Cortesa nicht, sonst so beherzt und stark. Aber sie hing an Großvater, auch wenn sie sich oft wie Katz und Hund stritten. Dass sie seine heimliche Bettgenossin war, wurde von allen in der
familia
geflissentlich übersehen.
    Arnauts Schwester Ada füllte ihm einen Becher mit Wein. Mit ihrer matten Haut, den leicht schrägen Augen und dunklen Locken ähnelte sie ihrer Mutter Adela. Sie war jetzt achtzehn; im kommenden Sommer würde ihre Vermählung mit einem jungen Edelmann aus der Gegend um Quilhan gefeiert werden.
    »Wo ist Mutter?«, fragte er sie.
    »Sie ist bei ihm.«
    »Ich will ihn sehen.«
    »Zuerst hat er etwas mit Onkel Raol zu besprechen. Wo bleibt der nur so lange?«
    »Er wird gleich hier sein.«
    »Habt ihr den Mann gefasst?«
    Arnaut nickte nur. Davon erzählen mochte er nicht.
    Sein Bruder Robert hockte mit aufgestützten Ellbogen am Tisch, das Kinn in den Händen, und sah aus, als gebe er sich große Mühe, nicht in Tränen auszubrechen, was einem stolzen Knappen von sechzehn Jahren natürlich schlecht angestanden hätte. Trotz der täglichen Reit- und Waffenübungen, denen er sich mit Begeisterung hingab, war er noch immer etwas schmalbrüstig und wenig entwickelt.
    Cortesa hielt die Augen geschlossen. Ihre Lippen bewegten sich in stummem Gebet. Ada sah zum Fenster hinaus, und Hamid starrte schweigend vor sich hin. So saßen sie da und warteten auf Raol. Nur das Feuer knackte und knisterte leise.
    Rocaforts
aula,
ein Ort gemeinsamer Mahlzeiten und fröhlicher Zusammenkünfte, erschien Arnaut heute seltsam düster und bedrückend. Wo sonst geredet, gescherzt und gelacht, vor allem ausgiebig geschmaust und getrunken wurde, herrschte nun bange Stille. Onkel Raol mochte der Kastellan sein, aber für Arnaut war Großvater Jaufré noch immer Herz und Seele von Rocafort. Ein unverwüstlicher Kerl, der das Leben ebenso wie den Wein und die Köstlichkeiten geliebt hatte, mit denen Cortesa die Familie verwöhnte. Die seit Wochen andauernde Krankheit lag wie eine dunkle Wolke über der Burg.
    Als die Tür aufflog, fegte kalte Winterluft in den Raum und ließ das Feuer aufflackern.
    »Da bist du endlich!«, rief Ada. »Großvater wartet schon.«
    Raol brummte etwas Unverständliches, schloss die Tür und marschierte sporenklirrend zum hinteren Ende der
aula,
wo ein Gang in die Wohngemächer der Burg führte.
    Arnaut nahm einen Schluck Wein.
    Flüchtig kam ihm sein Vater in den Sinn, der früh bei einer weinseligen Rauferei verstorben war und in Arnauts jungem Leben kaum eine Rolle gespielt hatte. Sein Bruder Robert hatte ihn nicht einmal gekannt. Lehrmeister und Vorbild war immer Großvater gewesen. Arnaut erinnerte sich, wie oft er auf Jaufrés Knien gesessen und seinen Geschichten gelauscht hatte. Das Reiten hatte er ihm beigebracht, wie überhaupt alles, was ein Junge wissen und ein Krieger können muss. Und Arnaut hatte die Lehren aus Jaufrés Jahren in Outremer begierig aufgesogen, wusste mehr über Männer und Pferde, über Schlachtordnung, Hinterhalte, Angriff und Verteidigung als so mancher erfahrene Kriegsherr. Es hatte immer Großvater Jaufré in seinem Leben gegeben. Rocafort ohne ihn? Daran mochte man gar nicht denken.
    »Das Heilige Land scheint nicht zur Ruhe zu kommen«, sagte er, nur damit die Stille nicht zu erdrückend wurde.
    Hamid nickte. »Man hört so einiges.«
    Trotz grauer Haare und Altersflecken auf der mattbraunen Haut saß der alte Sarazene

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