Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
wies ihre
trobadors
an, Loblieder auf Constance zu dichten, die sie dann zum Vergnügen aller Anwesenden darbieten durften.
    Das Leben im ausgedehnten, ehemals byzantinischen Palast von Antiochia gefiel Alienor ausnehmend gut. Für alles Fremde war sie offen, sie genoss die griechischen Bäder, die Bequemlichkeiten der sarazenischen Kultur und fand ihr Vergnügen an persischen und arabischen Versen, die sie sich übersetzen ließ.
    An diesem Nachmittag, während Spielleute im Hintergrund für eine angenehme Stimmung sorgten, ließen die Damen sich die feinsten Stoffe vorführen, die die Händler der Souks ihnen zur Auswahl gebracht hatten. Reine Seide in leuchtenden Farben aus dem fernen China, sündhaft teurer Brokat aus Konstantinopel, feiner Damast mit seinen aufwendigen Webmustern oder auch nur einfache, leichte Baumwollstoffe, die in der Hitze des Sommers so angenehm zu tragen waren.
    Zu Constances Füßen spielten drei ihrer kleinen Kinder, das vierte lag in den Armen einer Amme, die es stillte.
    »Ich beneide Euch«, sagte Alienor. »So jung und schon so gesegnet. Raimon muss sehr stolz auf Euch sein.«
    Bevor sie antwortete, warf Constance ihr einen Blick zu, als wollte sie sich vergewissern, ob das Lob ernst gemeint war. »Ach, Raimon«, lachte sie dann. »Dem ist nur wichtig, dass er einen Sohn hat.«
    »Das ist mir bisher nicht gelungen. Ich habe nur eine kleine Tochter.«
    »Vermisst Ihr sie?«
    Alienor versuchte, ihr Herz zu erforschen. Fast ein Jahr lang hatte sie die kleine Marie nicht mehr in den Armen gehalten. »Sie ist gut versorgt«, sagte sie schließlich, ohne weiter auf die Frage einzugehen.
    »Da Ihr Euren Gemahl begleitet, wird es gewiss bald einen Kronprinzen geben«, meinte Constance nicht ohne ein anzügliches Lächeln.
    Nicht sehr wahrscheinlich, dachte Alienor, so wie die Dinge lagen. Louis, wenn er nicht im Rat seiner Anführer saß, verbrachte die Zeit mit Beten oder in ernsten Gesprächen mit seinen Kaplanen und Bischöfen. Was immer seine Laster waren, Wollust gehörte nicht dazu. Sie schliefen meist getrennt, und wenn sie ehrlich war, kam ihr das nicht ungelegen. Nur, sie konnte schon die Klagen hören, die allerorts über sie hereinbrechen würden, wenn sie nicht bald einen männlichen Erben zustande brachte.
    »Dafür beten wir«, sagte sie.
    Constance lachte. »Mit Beten ist es nicht getan, meine Liebe.« Dabei machte sie ein äußerst selbstzufriedenes Gesicht, ganz wie eine wohlgenährte Katze.
    Ja, prahl nur mit deinem Mann und mach dich lustig über mich, dachte Alienor, während ihr der Unmut die Wangen färbte. Aber sie beherrschte sich.
    »Wie ist es eigentlich zu dieser ungewöhnlichen Vermählung gekommen, zwischen Euch und meinem Verwandten?«
    Constance war die stolze Enkelin des großen Bohemund, des normannischen Eroberers von Antiochia. Und nachdem ihr Vater, dessen Sohn und Nachfolger, jung verstorben war, hatte man nach einem würdigen Prinzen gesucht. Die Wahl war, weiß Gott aus welchem Grund, auf den jungen Aquitanier Raimon de Poitier gefallen, der zu der Zeit am englischen Hof geweilt hatte.
    »Eigentlich sollte Raimon meine Mutter Alice heiraten. So dachte sie jedenfalls.« Constance kicherte wie ein kleines Mädchen. »Sie war ja schließlich die Witwe und Regentin. Aber man hat es sich anders überlegt. Und wer meine Mutter kennt, der weiß auch, warum.«
    Alice war die zweite der vier eigensinnigen Töchter König Balduins von Jerusalem und hatte gegen den Willen des Hochadels von Outremer alles versucht, selbst an der Macht zu bleiben. Sie hatte sich kriegerisch gegen ihren eigenen Vater aufgelehnt, hatte versucht, Constance erst mit Byzanz, dann, o welcher Frevel, sogar mit dem Türkenfürsten Zengi zu verkuppeln, nur um ihren eigenen Machtanspruch zu sichern. Man hatte so ziemlich genug von Alice gehabt.
    »Meine Mutter ist eine Tyrannin. Schlimmer noch als meine Tante Melisende. Raimon musste sich ohne ihr Wissen ins Land schleichen, und der Patriarch Aimery hat uns heimlich getraut, obwohl ich erst dreizehn war.«
    Die Geschichte belustigte sie ganz offensichtlich, und sie malte die Einzelheiten mit schadenfrohem Vergnügen aus. Zwischen Mutter und Tochter schien wenig Liebe verloren zu sein. Vielleicht weil Constance ebenso eigensinnig und widerspenstig wie die eigene Mutter war, dachte Alienor.
    »Und wo ist sie jetzt?«
    »Sobald Raimon als Prinz bestätigt war, hat man sie in die Verbannung geschickt. Sie lebt auf ihren Gütern in

Weitere Kostenlose Bücher