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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Latakia.«
    Verbannt. Arme Alice. Alienor selbst war ja ebenfalls alleinige Herrscherin über ihr Aquitanien und würde sich das nicht nehmen lassen. Sie konnte Frauen wie Alice verstehen. Warum sollten sie vor den Männern zurückstehen, besonders wenn sie sich nicht dümmer anstellten? Und wer war ihre Tochter, um über sie zu lästern?
    Constance badete ganz offensichtlich in Fortunas Wohlwollen mit einem Mann wie Raimon und schien es wohl zu schätzen. Bei dem Gedanken an Raimon schlug das Herz der Königin heftiger, wie so oft in diesen Tagen. Sie wusste, dass es sich um eine dumme Schwärmerei aus Mädchentagen handelte und dass sie gut daran täte, diese nicht überhandnehmen zu lassen.
    Unter den Edelfrauen befand sich auch eine junge Muslima, Ayla mit Namen. Sie war eine Base des berüchtigten Emirs Nur ad-Din und auf dem Weg von Aleppo nach Homs von einem christlichen Spähtrupp überrascht und mitsamt ihrer Dienerschaft in Geiselhaft genommen worden. Seit zwei Jahren wartete sie nun schon am Hofe von Antiochia darauf, dass man sich endlich über das Lösegeld einigte. Sie war gut behandelt worden, konnte sich frei bewegen und hatte inzwischen auch gelernt, sich auf Fränkisch verständlich zu machen.
    »Ayla«, wandte sich die Königin jetzt an sie. »Wie ist das bei euch Seldschuken mit der Nachfolge?«
    »Ach, schrecklich bei uns.« Ayla rollte die Augen und hob die Hände in gespielter Verzweiflung. Dann lächelte sie, und die Zähne blitzten weiß in ihrem mattbraunen Gesicht. »Nicht so … wie sagt man … ordentlich wie bei euch
franj.
«
    Ayla war eine Frohnatur. Dass sie sich unter Christen befand, schien sie nicht zu bedrücken. Mit ihren großen, dunklen Augen, blauschwarzen Haaren, die halb unter einem Schleier versteckt blieben, und dem reichen Schmuck an Perlen und Goldmünzen, der Stirn und Hals zierte, kam sie Alienor sehr fremdländisch vor, ein Eindruck, der durch die holprige Aussprache ihres fehlerhaften Fränkisch noch verstärkt wurde. Kaum zu glauben, dachte Alienor, dass sie hier so umgänglich mit einer Frau des Feindes plauderte, als wäre es ihre Nachbarin.
    »Das würde ich jetzt aber auch gern wissen«, sagte die Gräfin von Flandern, eine der Damen der Königin und Gemahlin jenes Thierry d’Alsace, auf den man sehnlichst wartete.
    »Emire bei uns haben mehr als eine Frau. Manche sogar viele Frauen. Denn dann gibt es auch viele Söhne. Wichtig für Nachfolge.«
    »Viele Frauen für einen einzigen Mann?« Die Gräfin machte große Augen. »Wie schrecklich!«
    »Ehefrauen von Emir geht es sehr gut. Fehlt ihnen gar nichts. Das ist unsere Art zu leben. Ein Mann, der Frauen schlecht behandelt, wird verachtet.«
    »Nun, daran könnten sich einige unserer Herren ein Beispiel nehmen«, warf die Königin lächelnd ein.
    »Schlimm ist, wenn Emir stirbt«, fuhr Ayla fort, und eine dunkle Wolke zog über ihr Gesicht. »Es gibt keine Regel für Nachfolge, und dann kämpfen alle Söhne untereinander. Oft ist viel Krieg oder Mord, bis einer gewinnt.«
    »Wie entsetzlich«, rief die Gräfin.
    »Herrscherblut soll stark sein. Der mit stärkstem Blut wird Emir. Das war immer so bei uns.« Sie sah die bestürzten Gesichter der anderen Frauen um sich herum und zuckte mit den Schultern. »Aber nur bei Fürsten. Und manchmal geht es auch anders. Mein Vetter Nur ad-Din ist ein kluger Mann. Hat sich mit Brüdern geeinigt, als sein Vater Zengi gestorben ist. Sie haben alles geteilt und leben in Frieden.«
    »Nur ad-Din. Er wird uns immer als grausamer Fürst geschildert.«
    »Ist er nicht. Ein guter Muslim, sehr gläubig. Herrscht mit Überzeugung, nicht Gewalt.«
    Dass er die meisten Christen von Edessa hatte ermorden lassen, wusste auch Ayla, aber man war höflich genug, es nicht zu erwähnen. Die Christen von Edessa waren gestorben, weil sie bei einem Gegenangriff der Latiner die türkische Garnison verraten hatten. Auch wenn dieser Umstand im Westen zur Kriegshetze ausgeschlachtet worden war, wusste doch jeder in Outremer, dass man es umgekehrt ähnlich gemacht hätte.
    Diese Widersprüchlichkeiten des Lebens in Outremer verwirrten Alienor. Einerseits fügten sich beide Seiten die schlimmsten Grausamkeiten zu, und andererseits behandelte man sich, besonders was Adelige wie Ayla betraf, mit der größten gegenseitigen Zuvorkommenheit und Ritterlichkeit. Karawanen wurden überfallen und ausgeraubt, aber die Souks in Antiochia waren vollgestopft mit Waren aus dem Orient. Sie hatte gehört, dass

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