Die Hure Babylon
streiten. Und vielleicht findet der Hohe Rat eine Lösung.«
»Soll er. Mir ist das einerlei«, sagte sie mit einem Anflug von Niedergeschlagenheit. »Dieses Land ödet mich an, und ich kann es nicht abwarten heimzukehren.«
Arnaut erinnerte sich, was ihr Bruder von ihrer unglücklichen Liebschaft erwähnt hatte.
»Bertran hat mir erzählt.«
Sie runzelte ärgerlich die Stirn. »So, hat er das? Das geht niemanden etwas …«
Sie wurde von besorgten Stimmen unterbrochen. Männer waren aufgesprungen und um Alfons bemüht. Der Graf war kreidebleich geworden und stemmte sich keuchend gegen die Kante der Tafel. Schweiß stand ihm auf der Stirn, und er stierte mit weit aufgerissenen Augen vor sich hin. Sein Atem kam stoßweise.
»Mir ist … schlecht«, keuchte er.
»Was ist, Vater?« Bertran war an seiner Seite.
»Weiß nicht. Fisch vielleicht …«
Er musste würgen, hielt sich die Hand vor den Mund, taumelte auf die Füße, und dann ergoss sich ein mächtiger Schwall sauren Mageninhalts über die Tafel, besudelte Becher und Nachtisch. Er würgte noch einmal. Diesmal traf es
sobrecot,
Beinlinge und Schuhe.
Bei dem Anblick waren die Männer um ihn herum erschrocken. Beatriz riss ein sauberes Leinentuch vom Tisch und tupfte vergeblich an ihm herum.
Dann lachte Joan de Berzi laut auf. »Du hast zu viel gefressen,
Dominus
«, rief er. »Kotz es raus, dann fühlst du dich wohler.«
Auch andere grinsten belustigt und hoben ihre Becher, um ihm zuzuprosten.
»Komm, Vater. Geh ein paar Schritte.« Bertran fasste ihn am Arm.
Alfons nickte schwach, als ihn ein erneuter Brechkrampf packte. Diesmal war es nur gallige Flüssigkeit. Einiges davon beschmutzte seinen Sohn. Beatriz bemühte sich, ihrem Vater den Mund sauber zu wischen.
»Merda«,
krächzte Alfons schwach, versuchte, etwas zu sagen, aber es wollte ihm nicht so recht gelingen. Sein Mund öffnete sich wie ein gestrandeter Fisch, doch nur ein Gurgeln kam hervor. Er lehnte sich schwer auf Bertran, fasste sich an die Brust, schien nur mit Mühe zu atmen.
Und dann bemerkte Arnaut, wie sich auf einmal seine Augen in Panik weiteten und auf die Weinbecher starrten, die noch auf der Tafel standen. Er war sichtlich bemüht, den Finger zu heben, darauf zu deuten, wollte etwas schrecklich Wichtiges mitteilen. Aber mehr als ein hilfloses Stöhnen gelang ihm nicht. Dann begann er, an allen Gliedern zu zittern und zu zucken. Seine Augen verdrehten sich, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Als ihm die Knie den Dienst versagten, fing Bertran ihn auf und ließ ihn vorsichtig zu Boden gleiten.
»Vater!«, schrie er. »Was ist los,
mon Dieu?
«
Neugierig drängten die Umstehenden näher heran, um zu sehen, was mit dem Grafen war. Joan hielt sie mehr schlecht als recht zurück. »Ruhig, Leute. Nur eine Schwäche. Es wird ihm gleich bessergehen.«
Alfons hob den Kopf, die Sehnen am Hals standen hervor wie Schiffstaue, das Gesicht war schrecklich verzerrt. Noch einmal strengte er sich an, etwas, das sein Hirn quälte, in Worte zu fassen, doch vergeblich. Es war totenstill um sie herum geworden, doch niemand hatte sein Röcheln verstanden, auch nicht Bertran in seiner Aufregung. Nur Arnaut, der dicht neben ihm hockte, glaubte, das furchtbare Wort auf den Lippen des Grafen gelesen zu haben. Und es traf ihn wie ein Keulenschlag. Josselin und Alfons an der Tafel, die Weinbecher zwischen ihnen, der Graf, wie er seinen eigenen in einem Zug leerte und lachte. Die Becher … so einfach zu vertauschen … und Josselin, der sich mit einem Grinsen entfernte.
»Gift«, entfuhr es ihm. »Es war Gift.«
Nur Beatriz schien ihn gehört zu haben.
»Nein!«, kreischte sie auf.
Inzwischen starrten alle gebannt auf Alfons, der weiter in Krämpfen zuckte. Als die Atemnot sich wie ein Felsbrocken auf ihn legte und ihn immer mehr erdrückte, färbte sich das Gesicht allmählich blau. Es half auch nichts, dass Bertran ihn in hilfloser Verzweiflung schüttelte, ihn aufrichten wollte. Beatriz stand mit vor Entsetzen geweiteten Augen daneben. Schließlich ließ sich von Alfons noch ein letzter ächzender Laut vernehmen, er sackte langsam weg, die Fersen schlugen ein paarmal auf den Boden, dann lag er still.
Bertran wollte seinen Vater nicht gehen lassen, versetzte ihm Schläge auf die Wangen, um ihn wiederzubeleben, bis ihm die Sinnlosigkeit bewusst wurde. Völlig benommen erhob er sich, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Jetzt warf sich Beatriz mit hohem Klagelaut über den Leichnam
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