Die Hure Babylon
versöhnliche Miene auf, schlug vor, gemäß Alfons’ Wunsch die Frage im Beisein von König Louis und den übrigen Fürsten dem Hohen Rat von Jerusalem zu unterbreiten. Auch wenn man sich heute noch nicht habe einigen können, so sei es doch besser, den Streit fürs Erste beizulegen und sich in gutem Einvernehmen zu trennen. Zur Versöhnung lud sie deshalb alle Beteiligten mitsamt Gefolge zu einem großen Mittagsmahl ein, das am nächsten Tag stattfinden sollte.
Als sich die Versammlung auflöste, blieb ihr Blick noch einen Augenblick auf Alfons haften, ohne dass dieser es bemerkte. Dabei war ihr lächelnder Mund hart geworden und eine unbarmherzige Kälte in ihre Augen getreten. Arnaut konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, sie habe einen Entschluss gefasst. Und ihm bangte bei dem Gedanken.
Zerronnene Träume
E s war dieser Tage zunehmend wärmer geworden, die Sonne stach unbarmherzig von einem knallblauen Himmel herab, und so fand das Gastgelage im Freien unter einer riesigen Zeltplane statt, die dem Seewind erlaubte, die Gesichter der Tafelnden zu kühlen.
Die Leute aus dem Ort hatten auf Befehl der Königin die Speisen angerichtet. Es gab Hammelfleisch in scharfer Sauce, am Spieß geröstete Zicklein, aber vor allem Fisch jeder Art und Zubereitung, Muscheln, Seeigel, Krebse und Garnelen, gedünstet, in Butter gebraten oder gegrillt und mit Zitrone beträufelt.
Am Anfang war man noch etwas zurückhaltend, aber das gute Essen machte fröhlich, der Wein löste die Zungen und ließ den bösen Streit vergessen. Die Barone wurden immer ausgelassener, tranken einander zu. Tolosaner scherzten mit Rittern aus Tripolis oder Jerusalem, man erzählte sich Geschichten, schob einander besondere Leckerbissen zum Probieren zu. Ja selbst Graf Raimon war wie ausgewechselt, und auch Hodierna strahlte in liebenswürdiger Schönheit und ließ sich von den Männern um sie herum hofieren.
Alfons trank heftiger, als ihm guttat, und redete viel. Sein Gesicht war aufgedunsen und gerötet, die Lippen fettig vom reichen Essen. In Siegerlaune war er entschlossen zu feiern, lachte lautstark über die eigenen Witze, war bemüht, sich aller Welt gegenüber freundlich und großherzig zu geben. Er trank seinem Verwandten zu und bedachte Hodierna mit ein paar plumpen Schmeicheleien, die sie mit säuerlichem Lächeln entgegennahm. Ja, er fing sogar eine lebhafte Unterhaltung mit Josselin de Puylaurens an, der neben ihm saß. Arnaut musste ein zweites Mal hinschauen. Puylaurens im trauten Gespräch mit Alfons von Tolosa? Jetzt stießen sie sogar an und lachten miteinander. Nicht zu fassen.
Dann wurde er abgelenkt und versuchte zu erhaschen, was Königin Melisende einigen Tolosanern über das Leben in Jerusalem erzählte. Die Männer zeigten sich begierig, die Heilige Stadt zu besuchen und in der Grabeskirche zu beten. Sie lauschten Melisendes Beschreibungen der verschiedenen Stadtviertel und Sehenswürdigkeiten. Ihr Kaplan erzählte unter anderem von Bethlehem und wo man sich im Jordan taufen lassen sollte. Aber auch über das Hauptquartier der Templer in der alten al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg wurde geredet, über Truppenstärke und über den Stand der Beziehungen zu den moslemischen Nachbarreichen.
Datteln, kandierte Früchte und honigtriefende Küchlein wurden gereicht. So zog sich der Nachmittag dahin mit Wein, Gesprächen, fröhlichem Gelächter und allgemeiner Verbrüderung.
»Ihr seid still,
Senher
Arnaut«, hörte er eine junge Stimme sagen. Es war Beatriz. Sie setzte sich neben ihn, nahm ihm den Becher aus der Hand und trank einen Schluck daraus. Dann schaute sie ihm über den Becherrand in die Augen. »Was geht in Eurem Kopf vor? Darf man es wissen?«
»Ich höre zu,
Midomna.
Es ist nicht oft, dass man einer Königin lauschen darf.«
»Ah, die schönen Töchter König Balduins. Alle liegen ihnen zu Füßen.« Sie tauchte einen Finger in den Wein und schnippte ihm ein paar Tröpfchen ins Gesicht, als wollte sie ihn dafür bestrafen.
»Kein Grund, eifersüchtig zu sein«, lachte er. »Ich weiß nicht, warum Bertran mir verheimlicht hat, wie schön Ihr seid,
Midomna.
«
Sie nahm die Artigkeit mit einem leichten Neigen des Kopfes und spöttischen Lächeln entgegen. »Wer sagt, dass ich eifersüchtig bin?« Aber dann wurde sie ernst und stellte den Becher ab. »Findet Ihr es nicht seltsam? Seit Tagen kratzen sie sich gegenseitig die Augen aus, und nun ist alles Fröhlichkeit und Wohlgefallen.«
»Man kann sich nicht ewig
Weitere Kostenlose Bücher