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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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und zerrte an ihm, während die Blicke der Umstehenden wie gebannt an Bertrans Gesicht hingen, als könnten sie dort eine Erklärung für das Unfassbare finden. Die Verwirrung war von seinen bleichen Zügen gewichen. Mit verengten Lidern starrte er zu Arnaut hinüber.
    »Was hast du gerade gesagt?«
    »Gift«, wiederholte Arnaut und deutete auf die Becher.
    Er ließ seine Augen über die Menge wandern. Wo zum Teufel war Josselin? Er konnte ihn nirgends entdecken. Der Hund hatte sich davongemacht.
    »Ihr Schweine!«, brüllte Bertran und riss sein Schwert aus der Scheide. Sein Gesicht war blutrot angelaufen, und sein Blick heftete sich auf Graf Raimon und seine Gemahlin, die sich die ganze Zeit über etwas abseits gehalten hatten. »Verfluchte Mörderbande!«
    Die Menge sprang erschrocken zurück. Bertran nutzte die Lücke, riss eine Tafel, die ihm im Weg stand, von den Böcken, ließ Geschirr und Weinkannen zu Boden krachen und stürmte in tödlicher Absicht auf die beiden los. Hodierna schrie auf, ihr Mann stellte sich vor sie, griff selbst zur Waffe. Joan, gefolgt von Arnaut, stürzte hinter Bertran her, um ihn zu hindern, in seiner Wut eine Mordtat zu begehen. Auch andere warfen sich ins Getümmel, Klingen blitzten in der Sonne, man versuchte, das Grafenpaar abzuschirmen und Bertran die Waffe zu entwinden. Arnaut war mittendrin im Gewühl. Vor ihm rang Joan mit seinem Herrn, der wie ein Berserker wütete. Erst als Joan aufschrie und sein Blut über ihn und andere spritzte, kam Bertran zur Besinnung.
    Hastig trat die Menge zurück. Joan lag am Boden, tödlich am Hals getroffen. Wessen Klinge es im dichten Gedränge gewesen war, ließ sich nicht sagen. Er tastete nach der schrecklichen Wunde und konnte doch nicht verhindern, dass ihm das Blut in einer gewaltigen Fontäne aus dem Leib pulste. Seine Augen blieben auf Bertran gerichtet, als könnte der ihm das Leben zurückholen, das ihm unwiederbringlich zwischen den Fingern hervorquoll und in den Boden sickerte. Allzu schnell begann sein Blick zu brechen, und seine Glieder erschlafften.
    Arnaut nahm Bertran vorsichtig das Schwert aus der Hand, legte ihm den Arm um die Schultern und führte ihn zu einer Bank, wo sie sich setzten. Der junge Fürst schien mit einem Mal jede Kraft verloren zu haben. Seine Schultern hingen herunter, sein Gesicht war leer und ohne Hoffnung.
    »Was geschieht mit uns, Arnaut?«, flüsterte er mit Tränen in der Stimme.
    »Wir werden sie zur Rechenschaft ziehen.«
    Bertran nickte benommen. »Das werden wir.«
    Graf Raimon und seine Frau verließen fluchtartig das Gastgelage. Königin Melisende jedoch beugte sich über Alfons’ Leichnam, schloss ihm die Augen und faltete seine Arme über der Brust zusammen. Danach richtete sie sich auf und nahm die weinende Beatriz in ihre Arme. So zollte sie ihren Respekt dem toten Grafen von Tolosa, einem der mächtigsten Fürsten des Frankenreichs, Alfons Jordan, Sohn des heldenhaften Befreiers von Jerusalem.
    ♦
    Dass es Mord gewesen war, schien erwiesen.
    Ein kundiger Mönch aus der Stadt, den Arnaut befragte, bestätigte Elenas Verdacht, dass es sich wahrscheinlich, nach der Art des Todes zu schließen, um Schierling gehandelt hatte. Von diesem Gift, am besten aus den unreifen Früchten der Pflanze gewonnen, genüge nicht viel, um die Atmung zu lähmen und den Tod durch Ersticken herbeizuführen. Schierling gebe es zur Genüge an Wegrand oder Feldrain, man müsse nicht besonders danach suchen. Er bot sogar seine Dienste an, das Gift für sie herzustellen.
    Königin Melisende aber ließ ausgeben, Alfons sei unglücklicherweise an einer Fischvergiftung gestorben. Man würde den Fischhändler ausfindig machen und bestrafen.
    Beatriz und Bertran waren von der unerwarteten Wende des Schicksals noch zu verwirrt, um viel von solchem Gerede wahrzunehmen. Am nächsten Morgen, nach langer Totenwache, wurde der Graf von Tolosa in Anwesenheit seines gesamten Gefolges beerdigt. Auch sein treuer Gefolgsmann Joan de Berzi fand neben ihm seine letzte Ruhe.
    Melisende erwies Alfons die Ehre, indem sie dem Begräbnis beiwohnte und sogar ein paar schöne Worte über den Verstorbenen fand. Danach sprach sie den Geschwistern noch einmal Mut zu und kehrte nach Jerusalem zurück.
    Beatriz weinte einen ganzen Tag lang. Sie beschwor ihren Bruder, mit ihr heimzukehren. Was gebe es noch für sie in diesem verfluchten Land? Aber davon wollte er nichts wissen. Fortan saß sie stundenlang bewegungslos in den Dünen und starrte auf

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