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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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bestimmt waren, raubten Raimons Zollposten und Steuereinnehmer aus, stahlen sein Vieh oder brannten Felder nieder, die zur Domäne des Grafen gehörten. Von den Bauern nahmen sie nichts, im Gegenteil. Für jedes Lamm und jeden Sack Weizen bezahlten sie aus dem gestohlenen Gut. Wenn sie verfolgt wurden, verschwanden sie in die Wälder des Libanongebirges oder zogen sich über die hohen Pässe ins Bekaatal auf Sarazenengebiet zurück.
    Und weiterhin erzählte Bertran jedem Wanderer, den sie trafen, dass der Graf von Tripolis der Mörder seines Vaters sei und dass er, der Sohn, Gerechtigkeit suche.
    Constansa machte dieses ungezügelte Leben Spaß. Auch Joana konnte bald so gut reiten wie die Männer. Nur Beatriz fand dies alles nicht nach ihrem Geschmack. Sie wäre lieber heimgekehrt, wenn sie eine Wahl gehabt hätte.
    Bertran und Arnaut unterhielten mehrere Verstecke in den dichtbewaldeten Bergen, die über Wasser verfügten und leicht zu verteidigen waren. Dort legten sie Vorräte an. Mit der Zeit fanden sich überall Helfer unter der Landbevölkerung. Es waren solche, die unzufrieden mit der Herrschaft des Grafen waren, die sie warnten, wenn dessen Reiter im Anmarsch waren, und als Spitzel oder Hehler für gestohlene Waren dienten.
    Mit dem Erlös der Beute ging Bertran großzügig um. Ein Drittel beanspruchte er für sich, der Rest wurde je nach Rang unter den Männern aufgeteilt. Und wenn einer sich besonders ausgezeichnet hatte, schenkte er ihm ein Geschmeide, eine schöne Waffe oder einen silberbeschlagenen Sattel. So sicherte er sich die Treue seiner Männer.
    Arnauts Verdienst war die kluge Planung und Durchführung ihrer Raubzüge. Graf Raimon geriet zunehmend in blinde Rage über die frechen Übergriffe, die empfindlich wie Wespenstiche schmerzten. Als ob sie hellsichtig wären, schlug die verfluchte Bande immer dort zu, wo man sie am wenigsten erwartete, und verschwand danach im Nichts. Wohin er seine Reiter auch sandte, mehr als alte Spuren oder längst erkaltete Überreste eines Lagerfeuers fanden sie nicht. Neben dem Schaden an Geld und Gütern hatte er auch noch den Spott seiner Hodierna zu ertragen. Was für ein jämmerlicher Fürst er doch sei, sagte sie. Nicht einmal eine lächerliche Räuberbande könne er zur Strecke bringen.
    Fast noch mehr schmerzte ihn, wie sehr sein Ruf in ganz Outremer zu Schaden gekommen war. Die Spatzen pfiffen es von den Dächern, dass er sich seines unliebsamen Großonkels durch Giftmord entledigt habe. Und seine verdammte Schwägerin Melisende tat nichts, um solche Gerüchte zu entkräften. Dabei war es doch ihr Vertrauter gewesen, der die ruchlose Tat begangen hatte. Jedenfalls entschied er, ebenfalls nicht am Feldzug der
militia christi
teilzunehmen. Wie konnte er in den Krieg ziehen, solange diese Bande in seinem Garten wilderte?
    Für Neuigkeiten von der
militia
waren Bertran und Arnaut auf kundige Reisende angewiesen, die sie gelegentlich antrafen. Manchmal auch Fahnenflüchtige. Nun sollte es also tatsächlich gegen Damaskus gehen, so hörten sie Anfang Juli. Der Hohe Rat zu Jerusalem habe dies im Beisein der drei Könige beschlossen. Melisende sei dagegen gewesen, aber selbst ihr eigener Sohn Balduin, inzwischen mündig, habe sie überstimmt.
    »Seid froh, dass wir nicht mehr dabei sind«, sagte Arnaut zu den Männern. »Das kann nicht gut enden. Die Moslems werden sich jetzt vereinigen.«
    Und dann stimmten sie alle aus vollem Hals in jenes Lied ein, das sie täglich auf dem langen Marsch begleitet hatte. Nur diesmal sangen sie es zum Spott:
     
    Wer mit Louis gen Osten zieht
    Muss die Hölle nicht fürchten;
    Denn seine Seele schwebt ins Paradies
    Zu den Engeln unseres Herrn.
     
    »Ja, bei den Engeln werden sie bald landen, die Narren«, feixte Bertran und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. »Ein König, der sein Weib in Ketten legt, damit sie ihm nicht wegläuft. Und der will Damaskus erobern? Die Sarazenen werden ihm die Schnauze in die eigene Scheiße reiben.«
    Bertran war voll Bitterkeit und bissiger Verachtung gegenüber den Mächtigen der Welt geworden. Aber er sollte recht behalten, denn Ende August, in der größten Hitze des Sommers, erfuhren sie, dass aus ihrem Spott ernüchternde Wirklichkeit geworden war. Versprengte Truppen wanderten müde, oft verwundet, auf der Suche nach ein wenig Nahrung über die Dörfer, manchmal bettelnd, oft plündernd. Von ihnen hörten sie, dass auch die letzte Schlacht, vor den Toren von Damaskus, verloren

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